24.09.2013 kashgar, china.    tatsaechlich geschafft, wir sind in china angekommen. und dann gleich in so einer tollen stadt! so hatten wir uns seidenstrasse vorgestellt: kein freilichtmuseum wie samarkand, sondern das pralle, pulsierende leben. die altstadt, bzw. was davon nach dem abriss- und modernisierungswahn der letzten jahre noch uebrig ist, sehr stimmungsvoll.

 

 

ein wildes gemisch aus wunderschoenen alten, geschnitzten fassaden, neubauten, riesigen bunten reklametafeln, kleinen laeden (gegenueber ein uigurischer health shop mit uns unbekannten kraeutern und heilmitteln, neben samen und rinden auch gebuendelte getrocknete froesche und schlangen), strassenstaenden. ueberall wird gebrutzelt, gebacken, geduenstet, gekocht. neben ueppigen gemuesestaenden bloekt betreten ein schaf und schaut zu, wie sein frisch geschlachtetes schwesterlein gerade auf der strasse zerlegt wird, derweil nebenan aus zersaegten schaltafeln das grillfeuer lodert. die sehr fleischlastige kueche zentralasiens ist auch hier noch vorherrschend.

daneben gibts aber - zu unserem glueck - auch viele nudelgerichte. am liebsten sind mir die kalten nudeln. das sind etwas glibberige staerkefladen, die zerschnitten und mit tofu, kichererbsen und allerlei scharfen soesschen serviert werden. gibt auch staerkebloecke, von denen brocken abgeschnitten werden. die suppennudeln werden oft aus einem teigbatzen ausgezogen: langziehen, einmehlen, falten, langziehen, mehlen, falten, ... so werden aus einem strang zwei, dann vier, acht, 16, nach kurzer zeit ist ein strang aus fadennudeln entstanden. als apero gibts fritierte tofu-spiesschen mit scharfer sosse und lange in gewuerzsosse gekochte dunkle eier. 

zurueck zum stadtleben: die strassen quellen ueber von handkarren, traktoren, taxis, autos und etwa eine million motorroller, fast alle elektrogetrieben. selbst die grossen dreiraedrigen lasten-mopeds, die fast unbegrenzt himmelhoch beladen werden, sind elektrisch. das ist toll, weil sie lautlos sind und nicht stinken. und tueckisch - weil sie lautlos sind. und schnell. es gibt zwar ueberall extra "fahrrad-spuren" (das mit den chinesen und den raedern war einmal, und wir hatten uns so darauf gefreut!), trotzdem brausen sie ueberall kreuz und quer wild rum. angenehm: es fahren genausoviel frauen wie maenner (und ganze familien) und sie fahren alle gleich wild. viele leute tragen den bekannten atem-schutz, werden wir uns auch zulegen. spannend sind die vielen unterschiedlichen gesichts-schnitte und die sehr unterschiedlichen kleidungen. von traditionell gekleideten alten maennern mit langen baerten und filzmuetzen oder pelzhueten bis zu flippigen ultramodischen teenies alles dabei. wir finden sehr viele gemeinsamkeiten mit zentralasien, die uebergaenge sind fliessend (ausser bei den dromedaren, die gibts erst seit der grenze).

der grenzuebertritt hierher war wieder mal spektakulaer. wir haben inzwischen die vermutung, dass es eine internationale konvention gibt, nach der grenzen mindestens doppelt so schaebig sein muessen wie der rest des landes, keine ahnung warum. die kirgisische seite also: hunderte von lastwagen, vor allem die schweren, uebergrossen, leeren chinesischen auf dem heimweg, neue waren fuer zentralasien holen, ineinandergeschachtelt, warten seit vier tagen darauf, dass die chinesische grenze wieder aufgeht, an feiertagen und wochenenden bleibt der schlagbaum unten. am rande dieser karavane das grenzdorf: ein sammelsurium rostiger bauwaegen, liegengebliebener lkw-anhaenger, ausgemuserter zerbeulter container, blech- und holzhuetten, fahrzeugruinen, der boden bedeckt mit scherben, knochen (zu wenig hunde, um die alle zu vertilgen), oellachen, unrat. mehrere hundert menschen warten hier oft tagelang, aber es gibt kein oeffentlches klo. kein fliessendes wasser im ganzen dorf. wir werden mit unseren leeren flaschen vage richtung fluss geschickt, bekommen dann doch was aus verschiedenen kanistern zusammengeschnorrt. zwielichtige kleine kaschemmen, in denen es vor allem schaschlik mit viel wodka gibt. eine sehr eigentuemliche und anregende atmosphahae, vor allem nach unserer bergeseinsamkeit. quentin tarantino waere hier gluecklich: from dusk till dawn... 

wir werden auch noch gluecklich: einige hundert meter hinter dem dorf siehts ein bisschen aus wie monument valley, sehr romantische felsen am fluss, schoener zeltplatz.

am naechsten morgen wollen wir nicht aus den schlafsaecken raus: dichtester nebel und eisiger wind, gibt ein kurzes fruehstueck, dann auf zur grenze. die kirgisische seite wieder sehr schnell und unbuerokratisch, nur der gesichts-scanner will mich partout nicht erkennen, vermutlich, weil ich mich seit osch nicht rasiert hatte und aussehe wie reinhold messner (unsere nasen sind trotz sonnencreme rot wie pavian, die lippen recht zerfurcht, der hoehensonnne sei dank). dann einige kilometer niemandsland, und der erste chinesische checkpoint. der erste! wir werden kontrolliert, geht alles recht entspannt und freundlich, aber wir duerfen nicht weiter. der zweite checkpoint liegt 125 kilometer weiter oestlich, und die strasse dorthin ist fuer radler gesperrt. die grenzer haben auch keine ahnung, ob oder wann wohl ein taxi oder gar shuttlebus an diese westlichste ecke chinas kommen wuerde. mit dem lkw mitfahren sei aber verboten. nach etlicher warterei gehts dann ploetzlich doch: wir duerfen unsere raeder auf der leeren pritsche eines trucks festbinden, der fahrer bekommt ein begleitschreiben und unsere paesse, los gehts. hundertfuenfundzwanzig kilometer (in worten: hundertfuenfundzwanzig) weitgehend schotterpisten-baustelle, und die beifahrersitze sind nicht gepolstert. wir haben das gefuehl, das gehoppel nicht nur in unseren hintern, sondern auch in unseren armen raedern zu spueren. und sehnen uns nach unseren weichen, gefederten saetteln. die eigentliche grenzprozedur ist dann unspektakulaer, fuer die grenzer sind wieder mal die fahrradklingeln (made in china, gekauft in deutschland) und unsere troeten (made in china, gekauft in uzbekistan) am interessantesten.

und dann stehen wir ploetzlich in china rum und wissen nicht so recht wohin mit uns. ueber der ganzen prozedur ist der tag vergangen, die zeitumstellung tut ein uebriges dazu. wir radeln in die nahe stadt, halten beim ersten besten strassen-imbiss an und essen koestliche nudelsuppe! (tut gut, nachdem wir zentralasien quasi als reine selbstersorger durchquert haben, mangels irgendwelcher nichtfleischlicher genuesse). meine ersten chinesischen kommunikationsversuche sind ermutigend, der lkw-fahrer hatte mein geradebreche halbwegs verstanden. der wirtssohn spricht zum glueck auch englisch und bringt uns zu einem kleinen hotel in der naehe. am morgen hat sich der nebel immer noch nicht verzogen, er ist jetzt beigefarben und knirscht zwischen den zaehnen. die grosse wueste im osten laesst gruessen. puenktlich hinter der grenze treten ploetzlich dromedare aus dem zwielicht. die landschaft, oder was wir davon durch den dunst sehen, wunderschoen, felsen treten aus dem fahlen licht und verbleichen wieder, ein bisschen wie auf dune, dem wuestenplaneten... wir haben netterweise fast bis kashgar eine autobahn fuer uns alleine, sie ist quasi fertiggebaut, aber fuer den verkehr noch gesperrt. so koennen wir immer wieder beobachten, wie ein paar leute mit gartenhaeckle, rechen und handfeger die erde an der mittelleitplanke einebnen, mit der schlagschnur zu dritt die randbegrenzungen anzeichnen, manchmal sinds zwei alte frauen, manchmal ein halbes dorf. autobahnbau ist handarbeit, es lebe die vollbeschaeftigung! am strassenrand sehen wir - wie schon so oft - wie halbe oder ganze doerfer der autobahn weichen mussten, die retorten-ersatzdoerfer sind ganz schoen trostlos.

ein weiteres radlertreffen kurz vor kashgar: ein belgier, der nach drei jahren asien auf dem heimweg ist. und in der jugendherberge in kashgar sind an einem tag mal fuenfzehn weltenradelnde versammelt, auch zwei liegeraeder und ein halb-liege-tandem aus der schweiz. jeden tag kommen neue an oder fahren welche weiter. hier kommen alle durch, die nicht ueber kasachstan fahren, egal wohin es dann weitergeht in asien. seidenstrasse eben!

 

 

28.09.-03.10.2013  karakorum-highway, china.      staub. staub staub staub staub. staub. STAUB. staub. staubstaubstaub staub staub. und: staub. danach: staub staub staub. so in etwa haette die bilanz unseres ausflugs nach den ersten zwei tagen gelautet. ab dem dritten tag dann: berge! sonne! gletscher! paesse! himmel! weite! GLUECK!!! um das ganze mit etwas substanz anzufuellen: wir hatten uns in den kopf gesetzt, den karakorum-highway entlang zu fahren. quasi die suedroute der seidenstrasse. bis kurz vor pakistan, afghanistan, indien. auf der karte war da ein kleiner punkt eingezeichnet: hot spring. ein magnet, und wir zwei willige eisenpferdchen... erstmal ein tag topfebene ebene. kashgarer vororte, gewerbegebiete, baustellen, unland. dann graue steppe, endlich landwirtschaft, ein dorf am anderen, maisfelder und? baumwolle... die luft immer noch undurchsichtig, alles staubig, diesig, beige-grau. am zweiten tag dann beginnt das gebirge: ein weites tal, wir ahnen felswaende, canyons, schluchten, sehen tun wir vor allem staub und grau. es wird steiler, das tal wird zu einer engen schlucht, schroffe felswaende verlieren sich im zwielicht, eine fahle sonnenscheibe quaelt sich muede durch den tag. die felswaende haengen ueber die strasse, einschlagskrater im asphalt, bruechig zerklueftetes gestein, phantastillionen tonnen fels warten offensichtlich nur darauf, sich auf uns herabzustuerzen. (ich bin da zugegebenermassen ein bisschen zimperlich, zum glueck radelt sirke munter vorneweg und ruft ein ums andere mal: toll! toll!).

die schlucht besteht aus baustellen, die strasse wird ueberall aufgerissen, tunnel und schaechte werden ins gestein getrieben, druckrohre verschweisst, graeben ausgehoben, waelle aufgeschichtet, staub, staub, staub. 

ein wildbach tobt mit brodelnden grauen wassermassen in der tiefe. eine fast apokalyptische szenerie. wir zelten, weil die schlucht so eng ist, neben der piste hinter einer kleinen staumauer, die heringe versinken zwanzig zentimeter tief im staub. am naechsten morgen immer noch kein himmel zu sehen... es geht hoch und hoch, dann oeffnen sich unverhoff schlucht und himmel. vor uns liegt ein tuerkisfarbiger stausee mit voellig surrealen sandduenen im hintergrund. wie kommen die hierher?

danach dann ein traum von einem hochtal, ein munter maeandernder wildbach zwischen sanften, vom gletscher gerundeten huegeln. im hintergrund sechs- und siebentausender, "majestaetisch", "erhaben", bitte diese abgedroschenen adjektive zu verzeihen, aber mir faellt da auch nix passenderes ein. wir fahren voellig hoehenberauscht vor uns hin, bei aller liebe zum meer, aber so richtig grundlos unverdient uebergluecklich sind wir eigentlich immer nur in den bergen. wir merken kaum, dass es immer weiter hoch geht. 

ueberall luemmeln dromedare in der landschaft rum, lassen sich die sonne aufs fell brennen und ihre unterlippen laessig baumeln. 

jetzt hat mich eine mail erreicht von herrn koebele, meinem frueheren biologie-lehrer: in zentralasien leben kamele und keine dromedare! da haben wir diese wuestenschiffe immer falsch bezeichnet und angeredet, das tut uns leid. dabei hab ich auch noch biologie studiert, zoologie war mir immer lieber als botanik. peinlich. hiermit entschuldigen wir uns bei allen kamelen und dromedaren, danke und liebe gruesse an herrn koebele!

dann tauchen die yaks auf, wilde, zottige viecher, wenn sie urweltlich schnauben, meinen wir dampf aus ihren geblaehten nuestern rauchen zu sehen. dabei sind sie sehr schuechtern, wenn wir anhalten, schrecken sie aus ihrem versonnenen muemmeln auf, wenn wir sie anreden oder vom rad absteigen, galoppieren sie gar gleich davon (aber sehr elegant!!!). sie stehen oft im wildbach rum, wahrscheinlich ist ihnen noch zu warm in der mittagssonne.

wir erreichen zum abend einen wunderbaren bergsee und finden unterkunft in einer kamelhaar-jurte, innen mit bunten tuechern behaengt und mit stapelweise wattierten decken gefuellt. das ist hier (und war auch in ganz zentralasien) die normale schlafmethode: abends werden die wenigen sachen weggeraeumt, die auf dem wohnpodest liegen, decken werden ausgerollt, die gleichen decken gibts auch zum zudecken, und alle legen sich nebeneinander hin. morgends wird alles zusammengerollt, und das schlafpodest ist wieder ess- und wohnzimmer.

die kirgisische familie, die diese mini-pension betreibt, ist sehr nett, wir bekommen abendessen und zum fruehstueck leicht salzigen yak-milch-tee mit brot. der see ist zwar touristisch (es gibt etliche jurten-pensionen, und wegen der "goldenen woche", chinas haupt-urlaubswoche, sind auch touristen unterwegs), trotzdem kommt es uns vor, als waeren wir am ende der welt. sobald die sonne untergeht wirds eiskalt, wir sind schon bald auf viertausend metern hoehe. der naechste morgen bringt uns dann zum pass, viertausendeinhundert, aber der sanfteste auf der ganzen reise bisher, fast ohne serpentinen gehts gleichmaessig aufwaerts. die andere seite (weitgehend tajikisch besiedelt) faellt landschaftlich ab, die schneebedeckten gipfel verschwinden, eine landschaft aus gleichmaessig gerundeten huegeln, grosse felsbloecke, die die gletscher auf ihrem rueckzug hier vergessen haben, sie haben eine dicke eisenkruste auf der oberseite und sind oft bizarr vrwittert. aber die heisse quelle zieht uns weiter... viele retortendoerfer aus zig exakt gleichen neu errichteten gebaeuden, vorbildlich mit solar- und windradgetriebenen strassenlampen, die aber zwischen den ziegel-bauern-doerfern wie fremdkoerper wirken. wir zeigen immer wieder unseren zettel mit dem chinesischen zeichen fuer hot spring, die leute schuetteln ratlos den kopf. das passiert selbst, als wir quasi am strassenschild der abzweigung stehen: die meisten leute koennen hier offensichtlich kein chinesisch. das ist fatal, weil bei weitem nicht alle schilder eine zweite, arabische beschriftung haben. (das uigurische wird hier arabisch geschrieben).

ueberhaupt faellt uns immer wieder der kontrast zwischen "chinesisch" und "kirgisisch, uigurisch, tajikisch" auf. in einigen doerfern entlang der strecke sind hundert meter lange propaganda-malereien an die waende gemalt: kirgisische menschen (deutlich an den traditionellen filzmuetzen zu erkennen) halten gluecklich eine chinesische flagge hoch, danach kommen: eine schule, ein krankenhaus, neue haeuser, zwei frauen tragen ein paket mit einem fernseher, weitere annehmlichkeiten, kurz: mit china kommt der fortschritt... waehrend die provinz hier weitestgehend uigurisch/kirgisisch/tajikisch besiedelt ist (das sind natuerlich auch chinesen), und wir schon auch mal unmut ueber "die chinesen" zu hoeren kriegen, sind die touristen in ihren cremeweissen jeeps mit den grossen kameras und der expeditionsausruestung fast immer (ethnische) chinesen, fuer die die yaks, dromedare und pittoresken bauerndoerfer in urwuechsiger landschaft fast noch exotischer zu sein scheinen als fuer uns (weil wirs seit zentralasien schon kennenlernen konnten). auch die (wander-)bauarbeiter auf den grossen baustellen sind fast immer chinesen, keine uiguren. und in kashgar steht an den strassenecken schwerst bewaffnete  polizei und militaer mit maschinenpistolen, metallschildern und metallschlagstoecken, sie wirken eher wie besatzer, keine freunde und helfer... das gibt immer wieder einen bruch in unserem "jetzt sind wir in china-gefuehl", der sich wohl weiterhin fortsetzen wird.

zurueck ins bad: wir haben es endlich gefunden, in einem seitental versteckt, oder was davon noch uebrig ist. ein grossteil ist abgerissen, ueberall bauschutt, in einem letzten gebaeude gibts kleine marode raeume, in denen je einige holzwannen stehen. schreiner, die ihr immer ueberlegt, wie dauerhafte holzbadewannen schoen zu bauen sind: zuber bauen, fuer jeden badegast eine grosse plastiktuete rein, wasserhahn auf, eine stunde baden lassen (fuer schlappe zwoelf euro pro nase, zaeh runtergehandelt auf acht), plastiktuete raus, fertig. hatten wir uns etwas romantischer vorgestellt, trotzdem: fuer eine stunde heisses thermalwasser tun wir fast alles. hinterm bad gibts schoene huegel zum zelten, thermal-reis mit thermal-tee schmeckt akzeptabel. am naechsten morgen dann alles wieder retour. bis zum pass (lustigerweise jetzt auf dieser seite) diesiges staubwetter, dann tauchen wir wieder in unser alpines hoehen-glueck ein, geniesen die neuen perspektiven von dieser seite des tales aus.

kommen wieder bei unserer gastfamilie unter, denen wir vom lastwagen gefallene kohlebrocken mitbringen, die ueberall die strassen saeumen. wir haben glueck: in zehn tagen bauen sie die jurten ab und ziehen ins tal, es wird dann hier oben zu kalt. ein oder zwei yaxe nehmen sie mit runter, die anderen verbringen den winter auf eigene faust in den bergen, wenn wir das richtig verstanden haben. am naechsten morgen, bei der rauschenden abfahrt durch die schlucht, sehen wir, was wir beim hochstrampeln im dunste nur erahnt hatten: ein farbrausch, ein wahres colorado, wo vorher alles grau in grau gewesen war. die letzte strecke durch die ebene finden wir einen lift auf einem pick-up, nochmal 100 km staub-mais-ebene wollten wir uns ersparen...



06.10.2013 kashgar, china.      nochmal drei tage in kashgar erholt, letzte wintervorbereitungen getroffen, die raeder gefaltet und in saecke verpackt, morgen wollen wir einen grossen sprung in richtung osten tun. wir werden mit dem zug ueber urumchi nach dunhuang fahren, an das oestliche ende der grossen takla-makan-wueste. wir haben uns zum zug entschlossen, weil die strecke selbst mit drei-monats-visum zu weit (gut ueber 2000km) und auch zu oede waere, und wir durch ost-tibet radeln wollen. da wirds hoechste eisenbahn, im november wird es dort schon zu kalt sein. als abschluss von kashgar haben wir uns den sonntags-viehmarkt angeschaut, kashgars beruehmteste "sehenswuerdigkeit". 

einerseits sehr faszinierend und exotisch: tausende schafe, ziegen, esel, rinder, yaks und dromedare, wildes und lautstarkes feilschen und handeln, ernste und zufriedene gesichter, grosser trubel halt. wenn dann ein baeuerle mit seinem zicklein zufrieden davonhumpelt oder eine familie sich gemeinsam mit den fuenf neuen schafen auf das dreiradmoped zwaengt, ist das ruehrend. andererseits hats uns auch ganz schoen mitgenommen. wir sind ja immer gluecklich, wenn wir im gebirge die (halbwilden) herden in der landschaft umherstreifen sehen, extensivere viehhaltung geht nicht, das macht einen sehr "artgerechten" eindruck. aber auch diese tiere werden natuerlich verladen und verkauft, und das ist eine ziemliche schinderei. sie stuerzen von den pritsche der lastwaegen runter, werden hochgeworfen und gehieft. nix mit rampen. werden dichtestens gedraengt oder wie heringe an langen seilen kopf gegen kopf aufgefaedelt, wo sie dann stundenlang bewegngsunfaehig ausharren muessen. sie werden durch die nasen gebohrt und dann kurz angebunden, in der hitze fast ohnmaechtig, drehen vom stress fast durch. einem grad verkauften jung-kamelchen wird das bein abgefahren, es liegt da und versucht sich aufzurappeln, menschenmenge drumherum... ringsum wird natuerlich ueberall gegrillt was das zeug haelt, und wir verziehen uns bald wieder. 

 

china und das internet:
bekannterweise eh ein heikles thema, wegen zensur, menschenrechten, pressefreiheit... dass es fuer unseren blog und die paar mails, die wir schreiben, ebenfalls probleme geben wuerde, hatte ich nicht erwartet. aber es ist eine katastrophe, alles geht sooooooo langsam. unsere homepage kann ich oft ueberhaupt nicht oeffnen und bearbeiten. in kashgar gings gerade noch so, von einem privaten laptop aus. schon die seite zu oeffnen hat manchmal eine viertelstunde gedauert. die fotos musste ich verkleinern, hochladen zehn minuten pro bild. in dun huang hatte ich die zugfahrt und die mogaohoehlen ausfuehrlich beschrieben, beim veroeffentlichen ist die verbindung dann zusammengebrochen. alles futsch. in vielen internetcaffees sind auslaender nicht zugelassen, die anmeldung geht nur mit chinesischem personalausweis. zweimal hat der junge bursche am tresen eine ausnahme gemacht und mich auf seinen ausweis angemeldet. programme installieren zum fotos verkleinern geht gar nicht. so werd ich jetzt die texte als mail an "alex, unseren administrator" schicken, und er stellt sie dann auf die homepage. warum einfach, wenns auch umstaendlich geht? und die fotos kommen dann, falls ich mal irgendwo ein bildbearbeitungsprogramm installieren kann.


11.10.2013 dun huang, china.     

von kashgar nach dun huang sind wir mit dem zug gefahren, das umrunden der takla-makan-wueste haette uns mehr als einen monat in trab gehalten, und nachdem wir aus dem zugfenster geschaut haben, waren wir froh ueber diese entscheidung. die wueste ist eine der trockensten und groessten der welt, eine riesige senke, gefuellt mit schotter und geroell und staub. das waere eine monotone fahrt geworden. und der winter waere derweil ueber ost-tibet eingefallen. ob wir uns nochmal fuer sitzabteile entscheiden wuerden? die liege- und schlafabteile sind auch bei fahrten tagsueber sehr angesagt, und sehr angenehm. die sitzabteile sind billig- und einfach. fuenf sitze pro reihe, ganz dichter sitzabstand, senkrechte rueckenlehnen, "hard seat", knallvoll. massenhaft gepaeck, riesige saecke, in denen wanderarbeiter ihr hab und gut verstauen. 25 stunden eng gedraengt, und es geht nicht sehr zimperlich zu. toll ist, dass es an bahnhoefen und in jedem abteil wasserhaehne mit kochendem wasser gibt, alle essen staendig instant-jumjum-nudelsueppchen (die wir eh so gerne moegen). fuer dazwischen gibts snacks, sehr beliebt sind eingeschweisste haehnchenschenkel und huehnerkrallen. die knochen - wie auch sonst der muell - fliegen auf den boden, falls grad nicht zufaellig ein muelleimer vorhanden ist. an das laute schluerfen haben wir uns inzwischen gewoehnt (...haben wir uns angewoehnt), aber das beruechtigte ausgiebige hochwuergen und ausspucken von schleim kommt uns immer noch hart an. vor allem wenn der rotz im zugabteil neben einem auf den boden gespuckt wird. das gilt nicht als anstoessig und wird immer und ueberall praktiziert, soll aber wohl unter der jungen generation nachlassen. zur ehrenrettung: im lauf der zugfahrt wird der boden drei mal rausgekehrt und kurz nass rausgewischt. nach 25 stunden erreichen wir urumqi. gross-stadt, grosser bahnhof. wir duerfen unsere gefalteten raeder nicht am bahnsteig oder in der naehe anschliessen, wo nachher der zug abfahren wird, "auf gar keinen fall, verboten!!!" sondern muessen alle gepaeck aus dem bahnhof raustragen, halb um den bhf rum, wieder durch leibesvisitation, passkontrolle und gepaeckroentgenstation durch, dann in wartesaal vier im dritten stock. dort warten schon - vier stunden vor abfahrt des zuges - hunderte von menschen. zwanzig minuten vor abfahrt werden die gitter geoeffnet, und alle rennen und draengen gleichzeitig los. kein spass. die zweite nacht gleicht der ersten, eine dritte wollten wir so nicht verbringen. naechstes mal doch liegewagen...

nach zwei tagen zugfahrt bzw. zweieinhalbtausend kilometer weiter oestlich hat sich die religion veraendert: nach vier monaten islam sind wir in der buddhistischen hemisphaere angelangt (obwohl: 70% der chinesen bezeichnen sich als atheisten, viele praktizieren alle moeglichen religionen parallel, und auch hier gibts natuerlich viele moslems und konfuzianismus und christen und...). dann gleich der wichtigste buddhistische kunstschatz chinas: die mogao-hoehlen. vor allem vom 09. bis zum 11. jahrhundert wurden hier ueber 700 grotten und hoehlen in den weichen sandstein gehauen, verputzt, kunstvollst bemalt und mit statuen ausgestattet. in vielen grotten sind ueber 1000 buddhas und bottisatvas an die decke gemalt, fast wie eine tapete.

es gibt ganz kleine hoehlen, nischen fast, die von armen familien in auftrag gegeben worden waren, und monumentale, an denen jahrzehnte gearbeitet wurde. die groesste, die wir besichtigen konnten, wird von einem 25 meter hohem sitzenden buddha bewohnt, massiv aus dem fels gehauen. die farben sind immer noch leuchtend bunt erhalten, neon fast, vor allem das blau und das tuerkis. lapislazuli aus afrika, importiert ueber die seidenstrasse. einen streich hat sich die natur erlaubt: die bleipigmente der hautfarben haben sich im lauf der jahrhunderte von rosig in tief-blau-schwarz verfaerbt. wir bekommen eine englisch-fuehrung, zu viert, sehr angenehm, und das museum ist auch sehr gut und aufwendig gestaltet. viele der grotten sind originalgetreu nachgebaut, sodass ich zumindest die kopien heimlich fotografieren kann.

die zweite attraktion dun huangs sind die "singenden sandduenen". damit die takla-makan-wueste nicht ganz so steinig im gedaechtnis bleibt, schiebt sich eine riesige sand-duenen-landschaft an den suedrand der stadt heran, wunderschoen. nur hat auch hier - wie ueberall in china - der massentourismus brachial zugeschlagen: die ganze duenen-landschaft (bzw. der suedteil der stadt) ist umzaeunt, und fuer schlappe 30 euro haetten wir auf die duenen klettern, buggy fahren, kamelreiten, heli- oder ultraleichtfliegen koennen. und einen aufwendigen history-disney-park bewundern.

das "problem massentourismus" (ich weiss, wir sind ein teil davon) hat china waehrend der letzten jahre wohl unglaublich veraendert. die "chinesische art der kolonialisierung": alles wird totrenoviert, jeder tempel wird ein "kultural spot". die neuerbaute lhasa-eisenbahn (ein milliardenprojekt mit sauerstoffzufuhr in den abteilen wegen hoehenkrankheit und kuehlrohren im permafrostboden) soll eine million menschen im jahr nach lhasa befoerdern. andere radreisende, die china schon vor jahren bereist haben, erzaehlen uns, dass sie fast nix mehr wiedererkennen.
wir lassen die duenen unerklommen und fahren per bus nach golmud, den rest der wueste hinter uns lassen. wir wollen endlich wieder radeln - richtung berge. in der jugendherberge in golmud wollen wir letzte infos zu strecke und wetter holen, aber die duerfen keine auslander beherbergen. ebensowenig alle anderen hotels und unterkuenfte, ausser zwei grossen - und teuren. so langsam merken wir, dass es in china ganz schoen viele verbote gibt...


16.10.2013 xi ning, china.

es waren einmal zwei ameisen
die wollten durch tibets osten reisen
doch schon am pass in eis und schnee
da wurde ihnen bang und weh
und so verzichteten sie weise
auf den langen rest der reise.


oder anders gesagt -weniger poetisch als ringelnatz- unsere ost-tibet-expedition ist klaeglich gescheitert! wir hatten vor, von golmud aus das ost-tibetische hochplateau zu ueberqueren. der winter war schneller, obwohl oktober als beste reisezeit gilt. zwei tage lang radeln wir von golmud aus kraeftig gen sueden, immer bergauf bis auf etwa 4000 meter hoehe.

schon recht frisch, am ersten tag kurzer schneeregen, aber wir sind noch guten mutes. die satteltaschen voller haferflocken und nudeln und extra benzinvorrat, jenseits des passes warten drei bis vier tage schotterpiste ohne irgendwelche doerfer auf uns. und wunderschoene landschaften, so heist's... fruehmorgends am dritten tage werden wir geweckt vom geraeusch prasselnden eis-schnees. als wir uns aus dem zelt wagen, ist alles weiss, echt kalter wind, uebler himmel, der pass - nochmal 900 meter hoeher - in finsteren wolken.

uns rutscht das herz in die hose (bzw. der verstand siegt). sind halt doch keine winter-extremisten, tagelang im schnee radeln, zelten, kochen, wo ich doch schon im freibad kalte finger krieg... wir kehren um, fahren die ganze strecke zurueck, und schaffens (dank eines gnaedigen pick-ups auf der golmuder ebene) grad noch auf den nachtbus nach xining. (nochmals eine nacht in golmud wollen wir uns ersparen). der nachtbus ist ein liegebus, das ist ueblich. sind wir gespannt.

es ist recht komfortabel, die liegen sind etwas zu kurz, die luft und die decken riechen eher zweifelhaft, aber wir leisten da sicherlich auch unseren beitrag dazu. um mitternacht eine pinkelpause, meinen wir, bis sirke bemerkt, dass jemand grad unsere satteltaschen in einen anderen bus stopft. wir stuerzen raus, und ein munteres verladen geht vonstatten. eine der grossen styropor-boxen, auf der unsere taschen standen, ist geplatzt, der boden wimmelt von zuckenden und zertretenen fischen. wir finden durch penetrantes fragen in etwa heraus, dass unser bus stehenbleibt und der andere bus weiterfaehrt. uns hat niemand bescheid gesagt, unser busfahrer ist nirgends zu sehen, die meisten leute schlafen. grob, heisst die devise (bei gepaeck immer!!!), auf unseren ersatzfelgen steht hochkant eine schwere maschine. wir fragen, was mit unseren raedern passieren soll? die kommen da auch noch rein! dabei haetten allerhoechstens noch die klingeln platz... wir nehmen sie trotz protest mit in den bus und gurten sie an unsere liegekojen ganz hinten oben im bus, endlich allgemeines umsteigen mit dem ueblichen bahnhofsgedraenge, los gehts. fast die gesamte (sehr hoppelige) fahrt verlaeuft im schnee, auf unserer karte sehen wir, dass ueberall oberhalb zweieinhalbtausend der winter eingekehrt ist. wir sind froh, umgekehrt zu sein, auch wenn unsere bisherige china-roeute eher wie eine zug/bus-reise mit gelegentlichen radausfluegen aussieht.

xining gefaellt uns, auch wenn sie eine weitere hochhausansammlung mit viel verkehr auf grossen strassen, unendlich vielen shopping-malls und glitzer ist, von historischer bausubstanz ist nix uebriggeblieben.

15 kilometer vom busbahnhof bis zu unserem hostel im 15 stock eines hochhauses. aber die leute sind hier sehr freundlich, die atmosphaere angenehm.

wir machen einen abstecher zu einem netten kleinen tempel mit viel weihrauch und besuchen das tibetische medizin-museum (das wie ein riesiger marmorpalast aussieht, unglaublich protzig). es enthaelt neben historischen geraeten, handschriften und lehrtafeln ein ueber 600 (!!!) meter langes wandbild zur geschichte tibets. 400 maler malen vier jahre lang daran, das ganze ist in langen schlaufen ueber ein ganzes stockwerk verteilt, wir muessen am schluss entlangrennen, weil das museum schliesst. wir essen den leckersten (schaerfsten) tofu unseres bisherigen lebens und studieren ausgiebig landkarten, um unsere weitere route durch dieses wirklich grosse land zu planen.

 

 

23.10.2013 xiahe (kloster labrang), china.    das ist jetzt schon sehr tibetisch hier: labrang ist der wichtigste tibetische pilgerort nach lhasa, obwohl es ganz am rande des tibetischen hochplateaus liegt. unser zimmer im dritten stock hat einen tollen ausblick auf das klosterareal, wobei: die ganze stadt ist trubeliger bunter wallfahrtsort, kloster und welt greifen ineinander ueber, innerhalb des klosterbezirkes wird auch gewohnt und gelebt, und in der stadt reihen sich devotionalienlaeden an laden fuer moenchskutten und -stiefel und raeucherwerk. gegenueber hat sich ein kleiner junge mit mikrophon und ghettoblaster aufgebaut, und seit zwei tagen singt er lauthals die immer gleichen sieben popsongs rauf und runter, der ohrwurm wird uns noch lange verfolgen. hunderte (wahrscheinlich sind tausende) von moenchen wuseln in der stadt umher. es geht dabei sehr "weltlich" zu, sie lassen sich im taxi zum naechsten laden chauffieren, um cola und kekse zu kaufen, waehrend die scharen von pilgerInnen voellig in ihrem tun versunkern sind.

manche tragen ihre festtagskleidung und sind toll rausgeputzt, andere sehen aus, als kaemen sie gerade vom acker auf eine runde gebet vorbei. sie drehen die unzaehligen gebetsmuehlen, umrunden murmelnd und verneigend die vielen tempel, stupas oder den ganzen klosterbezirk. viele, vor allem sehr junge, messen die ganze strecke mit der laenge ihres koerpers ab, hinlegen (ganz flach, gesicht in den staub), aufstehen, verneigen, drei schritte weitergehen, hinlegen, ..., kilometerweit. unfassbar. aus vielen tempeln toent monotones singen und rezitieren, wir haben uns da mal reingeschlichen, da gibts ein paar vorsaengermoenche, die ganz tief singen, so mit obertonanklaengen, sehr gaensehaut. die blech-alphoerner haben wir auch mal toenen hoeren, konnten sie aber echohalber nicht aufspueren. die moenche sind rot oder magentafarben gewandet, sie gehoeren dem gelbmuetzenorden an und tragen diese gelben irokesen-hauben. so ganz heilig gehts aber nie zu, sie bloedeln viel rum, auch waehrend der gebete, hauen sich gegenseitig mit den muetzen auf den kopf oder bewerfen sich mit steinchen. und nicht nur die jungen oder die kindermoenche, auch die alten sind oft ganz schoene kindskoepfe.

ach ja, und wir haben so gut wie keinen gesehen, der kein smartphone in der hand hielte, wahrscheinlich gibts ein tibetisches gebets-ketten-app... was die heiterkeit angeht, wir haben selten so viele heitere menschen gesehen wie hier oben. beim herradeln wird uns staendig gewunken und zugerufen und wir werden angelacht, und selbst wenn wir nur die augen sehen koennen, weil das gesicht kaeltehalber verhuellt ist, hat das was derart herzliches, dass uns ganz warm wird.

die leute gefallen uns eh sehr gut hier: sie haben oft - wegen der kaelte und hoehensonne, vermuten wir - ganz dunkelbraune gesichter und tiefrote baeckchen, die maenner tragen oft eine wallende tiefschwarze mahne, schnurrbart und goldohrringe. sehr piratisch. die frauen haben ihr haar meist zu langen zoepfen zusammengebunden, tragen viel silber-, korallen-und tuerkisschmuck. dazu kommt die tolle kleidung: bodenlange riesige maentel, die winterversion fellgefuettert, mit leuchtend bunten schaerpen zusammengebunden, bei den frauen kommen lederguertel mit viel metallschmuck hinzu. die aermel sind ebenfalls bodenlang, sie baumeln entweder herunter, wenn die haende nicht gebraucht werden (vor allem beim motorradfahren wedeln sie dann wild in der gegend rum), oder sie werden wurstig hochgestuelpt. wenns waermer wird, wird erst eine schulter entbloest, dann dient der aermel als guertel, mittags dann wird das ganze oberteil um die huefte geschlungen. die meisten leute tragen dazu huete, oft aus filz, das sieht vor allem bei alten frauen toll aus. das ganze wird gerne in tollem stilmix mit sport-daunenwesten und glitzerschals kombiniert. schals: sie sind lang und werden bei kaelte mehrfach um den kopf gewickelt (hut drueber), nur ein schmaler sehschlitz bleibt offen.

die fahrt hierher ins tibetische hochland: ein wechselbad der gefuehle, so viele unterschiedliche eindruecke. nachdem wir endlich xining hinter uns gelassen haben, (begleitet von rennenden soldaten in voller marschmontur, es ist wohl manoevertag), werden wir wieder mal zeugen des chinesischen bauwahns. (wir haben manchmal den eindruck, dass die haelfte der chinesischen bevoelkerung aus wanderarbeiterInnen besteht, die in gruenen armeezelten entlang der mammutbaustellen wohnen. vor allem jetzt, wo's so kalt wird, ganz schoen hart. manchmal bekommen wir im kuechenzelt kochendes wasser, das dort immer auf dem kohleofen bereitsteht). keine landstrasse, der nicht eine autobahn an die seite gelegt wird, meist auf stelzen. nach 30 km kommt - laut karte - eine kleinstadt. neben dem staedtchen keine hundert, sondern hunderte von neugebauten hochhaeusern, meist sechzehn stockwerke hoch, alle fast fertig. hunderte. wer soll da wohnen? dann biegen wir ab, in eine enge schlucht, eine kleine, wenig befahrene strasse, immer wieder buddhas an den felswaenden.

und auch hier eine tunnelbaustelle an der anderen, eine bruecke nach der anderen, alles wird vierspurig und auf stelzen. der verkehr, selbst wenn er so gering ist wie hier, nervt unglaublich. wir haben das gefuehl, chinesische autofahrer hupen noch lieber als iranische. und laenger. vielesekundenlang beim ueberholen, auch wenn weit und breit kein gegenverkehr zu sehen ist. busse und lkw brettern oft ungebremst und dauerhupend durch die kleinen doerfer, "ich kann nicht bremsen oder ausweichen, aus dem weg!", und wir denken manchmal, wenn noch einer hupt, drehn wir durch... die meisten leute sind aber auf dem motorrad unterwegs, zwei erwachsene mit viel gepaeck oder drei oder eine ganze famile. dann gibts viele einachserle mit ladewaegen und hoellenlaute und stinkende dreiradmotorraeder, die zumindest traktor und lastwagen ersetzen. 

am zweiten tag kommen wir durch eine muslimisch besiedelte gegend, wunderhuebsche dorfer mit viel blumen in den gaerten, die moscheen sehen oft aus wie tempel. wir bereuen, keine fotostrecke der verschiedenen kopftucharten angefangen zu haben: hier tragen die frauen schwarze samthauben mit blumenmuster, sie sehen aus wie ninja-kaempferinnen, vor allem weil sie meist noch schwarzen atemschutz tragen. (in labrang sinds zartrosafarbene schwesternhauben, waehrend die muslimischen maenner bisher immer und ueberall weisse kaeppies aufhatten). die leute (vor allem die frauen) sind unglaublich offen, es wird viel gelacht und gewunken. wir hegen inzwischen grosse sympathien fuer chinas ethnische minderheiten, weil es - zumindest soweit wir das bisher miterlebt haben - dort meist sehr nett und offen und kontaktfreudig zugeht. tatsaechlich waren wir bisher vor allem in gegenden unterwegs, die von minderheiten bewohnt werden (uiguren, hui, tibeter), auch wenn diese insgesamt nur sechs prozent der chinesischen bevoelkerung ausmachen (und auch in diesen gebieten stellen die han-chinesen inzwischen meist die mehrheit). 

es geht hoch und hoch und hoch, und der erste pass (auch schon wieder fast auf viertausend)  ist mit sicherheit der schoenste unserer reise. nicht landschaftlich, sondern "farbenfroh": alles ist mit masten voller fahnen, wimpel und stoffbahnen vollgestellt, an einem raeucherofen wird gruenzeug verbrannt, alle kaufen sich bunte gebets-kaertchen und werfen sie tausenfach in die luft, die gebete bedecken meterdick den pass. gefaellt uns gut!

danach kommt nochmal ein jammertal, sehr anstrengend. die kaelte strengt uns ganz schoen an, weil wir immer schwitzen muessen und der wind immer eiskalt ist und uns dann auskuehlt. sobald die sonne (viel zu frueh) hinterm berg verschwindet, wirds noch eiskalter, weit unter null, unsere fruehstuecks-wasservorraete bekommen einmal selbst im zelt eine duenne eisschicht.

nach dem naechsten pass erreichen wir aber endlich dieses wunderschoene, unendlich weite gras-hochland, sanfte huegel, im hintergrund schneeberge, ein unwirklich scharfes, ueberklares licht (wir leiden nicht unter hoehenkrankheit, keine sorge!).

die kleinen staedtchen und doerfer - oft nur eine strasse - wie kulissen fuer einen tibet-western. jaks streifen umher, schafe mit phantastischen gerade gestreckten gedrechselten langen hoernern und ganz schmalen, dunklen gazellen-koepfchen (und erstmalig seit zentralasien wieder ohne fettschwanz), freilaufende pferde, in jedem der doerflein eine stupa oder ein kleines kloster.

 

 

27.10.2013 langmusi, china.    beziehungsweise "tibet", viele leute moegen es oft nicht so gerne, wenn wir china sagen, und verbessern uns dann... (osttibet ist die gaengige bezeichnung...) gestern haben wir die zehntausend ueberschritten: nicht hoehenmeter, da bewegen wir uns immer noch zwischen drei- und viertausend (und zwar staendig, zwanzig kilometer hoch, zwanzig runter, sehr schweisstreibend). aber kilometer, gab kein schampus, aber tee und geroestete gesalzene bohnenkerne, unseren lieblingssnack! am diesem morgen haben wir zum ersten mal unser eigenes tsampa geknetet. das ist das tibetische universalfruehstueck: ein guter brocken yakbutter (aus einer blechdose) in kochendem wasser aufloesen, zwei bis drei essloeffel zucker, ein essloeffel geriebener harter yak-kaese (aus einem lederbeutel), sehr wuerzig, und einige loeffel geroestete feingemahlene gerste (aus einer gezinkten holzkiste). das ganze so lange kneten, bis es eine feste masse gibt. sehr lecker, unglaublich nahrhaft.

wir hatten so glueck: am vorabend, wir denken schon ans zeltplatzsuchen, wirds ploezlich sehr dunkel und stuermisch, aber waermer, und es faengt an zu schneien, so ein richtig ekliger nasser papp-schnee. wir quaelen uns bis ins naechste dorf und fragen beim ersten haus, ob's denn ein binguan (eine einfache unterkunft) gaebe. die leute laden uns ein, im hof hinten gibt's noch einen leeren raum, da koennen wir uebernachten. in dem zimmer lagern die schaetze der familie, grosse bloecke yak-butter, auf dem markt kostet ein kilo immer zwischen fuenf und zehn euro! die butter kommt ins nachbarkaemmerchen, und der ofen !!! in der mitte des raumes wird angeheizt. mit getrocknetem yak-dung (hier dreht sich alles um diese sanften urviecher...). wir bekommen einen grossen kuebel davon reingestellt, einen wasserkanister dazu, und sind gluecklich. wird natuerlich trotzdem schnell eiskalt, als der ofen ausgeht, aber  morgens koennen wir ja wieder einheizen.

und als wir gerade unser porridge mit rosinen und ingwer-tee gefruehstueckt haben, kommt die tsampa-einladung. die leute sind so herzlich!!! sie leben sehr einfach, in den zimmern ist nicht viel mehr drin ausser schlaf-podest und kuechengeraet. der papa hat fruehmorgens draussen die opferstelle entzuendet, mit irgendwelchen teig-boebbele gefuettert. jetzt murmelt er erstmal eine weile monoton gebete vor sich hin, dann wirds aber sehr gesellig.

viele der haeuser in dieser gegend (ausser die ganz einfachen) haben aber eine grosse komplett verglaste veranda, sehr huebsch und sicher zweckmaessig.

nach einer weiteren fahrt durchs traumhafte grasland kommen wir nach langmusi. ein kleines dorf, im wesentlichen eine strasse, aber wie ueblich die doppelte flaeche neubau drumherum. und wieder ein riesiges kloster. fuer unseren geschmack furchtbar viel zu protzig, alle daecher der mindestens zehn riesigen hallen und tempel sind mit neuem goldblech verkleidet, uns traenen die augen vom geblinke.

wir versuchen, uns eine querschnittliche dachdeckung zu ueberlegen zwischen den goldgedeckten klosterdaechern und den holzbrettgedeckten daechern der normalen haeuser des dorfes, mit eingerechnet, dass die frauen des dorfes grad eine halle anstreichen, waehrend die moenche drinnen singen... vielleicht dachziegel fuer alle???

neben religion und medizin gibts fuer die moenche auch holzschnitzerei als studienkurse, die tempel brechen schier zusammen vor ueppigst beschnitzter und bemalter saeulen, decken und figuren.

wir umrunden das areal und versuchen uns auch mal im drehen der tausend gebetsmuehlen, ist ausser uns eh fast niemand unterwegs (unterwegs, mindestens vierzig kilometer von labrang, haben wir etliche pilgerinnen getroffen, die die ganze strecke liegend und verneigend zurueckgelegt haben, echt verrueckt).

nach einer kuehlen nacht (im hotel gibts nur abends heizung, wir schlafen in unserer merino-wolle) spazieren wir heute ueber die huegel am rande de stadt, sie sind komplett in gebetsfahnen und bunte tuecher eingewickelt. beim abstieg entdecken wir eine kleine grotte, in der amulette und buddhas aus ungebranntem ton langsam verwittern, gefaellt uns gut.

ein vierstoeckiger tempel-turm mit schoen geschwungenen daechern und drachenkopf-eckziegeln entpuppt sich als minarett mit halbmond auf der spitze, der zugehoerige tempel ist die moschee. die meisten kleinen lokale hier werden von muslimen betrieben, ich glaube, es sind "hui". wir essen grad immer einfach, aber sehr lecker: das standartgericht in den kleinen strassenlokalen ist nudelsuppe mit rechteckigen teig-ecken, dicken glasnudeln und paprika, lauch oder zucchini und viel knoblauch, gut gewuerzt. kochen wir selbst auch immer mit dem grad verfuegbaren gemuese. tee gibts immer ueberall in grosser menge dazu, und kochendes wasser eh. ein hoch dem (mittelalterlichen) chinesischen kaiser, der erkannt und verfuegt hat, dass in seinem land wasser nur gekocht getrunken werden duerfe. das war doch mal ne gute erfindung!

 

 

30.10.2013 chengdu, china.    chinesische verkehrsschilder sind fuer uns - so sie denn mehrsprachig sind - ein steter grund zur freude: da uns das wetter schon wieder so boes gefoult hat, haben wir beschlossen, dem rat zu folgen und domn zu slowen.

grund ist nicht nur das strassenschild und der schnee, wir sind auch einfach voellig durch und geschafft von hoehe, kaelte und paessen. deshalb verschenken wir die hart verdienten hoehenmeter und steigen mal wieder in den bus, richtung tiefland und waerme... ein zwischenstop in songpan, einer "historischen altstadt mit fast kompletter stadtmauer und stadttoren". busladungen von (chinesischen) touristen, unzaehlige hotels und hostels. nur: in der ganzen stadt gibts kein einziges historisches gebaeude mehr. alle kuerzlich abgerissen und durch nachbildungen ersetzt. es reihen sich handyshops an schicke boutiquen, dazwischen original tibetische handwerkskunst und yak-fleisch-spezialitaeten. manchmal denken wir, wir sind ein paar jahre zu spaet nach china gekommen...

wenn die leute nicht so laessig ihr leben weiterleben wuerden. ueberall zwischen den kulissen kleine strassenmaerkte, fliegende dreirad-ess-staende, werkstaetten, strassenleben. die fahrradrikschas, die wir hier zum ersten mal antreffen, sind inzwischen alle auf elektroantrieb umgruestet, muss das ein segen gewesen sein!

dann chengdu. ein paar millionen einwohner, geschaetzte fuenf im stadtzentrum. eine nette mischung aus historischen und neuen hochhaeusern. und erstaunlich viel gruen. das schoenste sind - wie immer - die parks. so ein entspanntes und buntes leben, wir sind verzueckt. an allen ecken und plaetzen wird getanzt, eine box auf einem "oma-waegele", zwischen fuenf und fuenfzig leute davor im seligen synchron-tanz. die musik zwischen sanftem schnulz-pop, walzer und aerobic-style. meist aeltere leute, aber nicht nur.

es gibt unzaehlige karaoke-stationen, wo meist aeltere semester opernreife darbietungen zelebrieren. ueberall auf den baenken wird gespielt, karten, ma-jong oder go. in einem park bringen die leute ihre singvoegel im filigranen hozkaefigen mit. sie singen um die wette miteinander und werden in spielpausen mit grillen gefuettert.

aeltere maenner schreiben konzentriert mit riesigen pinseln und wasser kalligrafie aufs pflaster.

leidenschaftliches badminton und trudelnde ruderboote. ein langer roter teppich, wo leute entlangschreiten und sich einer imaginaeren menge praesentieren, die ihnen huldigt (das wirkt manchmal schon fast psycho). musizierende. in einem bambus-hein sind tausende zettel auf stoeckchen gepinnt und werden eifrig studiert, wir bekommen heraus, dass es kontaktanzeigen sind.

wir sind sehr entzueckt, weil dieses entspannte park-leben so im gegensatz steht zum hektischen und drangvollen alltag. ausnahme: wenn der abend kommt, werden auch auf vielen gehwegen kleine boxen aufgebaut, und die leute fangen an mit ihren synchron-taenzen. mitten auf dem gehweg, auf plaetzen, wunderschoen.

und wenn's schon so um musik geht: gestern haben wir uns sichuan-oper gegoennt. samstag mittags gibts in einigen teehaeusern und theatern immer auffuehrungen, mit festem (betagtem) stammpublikum. wir koennen die handlung natuerlich nicht ganz nachvollziehen, weil alles an der maske, der kleidung und den schritten irgendwas bedeutet. in einem der stuecke sollte die heldin (trotz leidenschaftlichem flehen der mutter) hingerichtet werden. am schlusss stuerzt sie sich selbst in die schwerter der haescher. die dramatische musik (im wesentlichen eine bambus-fidel, woodblocks und perkussion) und der gesang verfehlen ihre wirkung nicht. je hoeher die heldinnen singen, desto lauter wird der beifall, die koenigin der nacht brummelt im tiefsten bariton dagegen... die leute sind voll dabei, ringsum wird kommentiert, was grad passiert.

 

nachtrag chengdu und all gemeines: zwei lange nachmittage lang haben wir uns in diversen electronic malls herumgetrieben und zig mails mit meinem "computerfreund" peter ausgetauscht (danke!!!). am dritten tage waren wir soweit, mit hilfe einer chinesischen warmshowers-partnerin einen geeigneten kleinen tablet-computer zu kaufen. da konnten wir das chinesische prinzip des beziehungsgeflechtes kennenlernen: wir treffen uns mit ihr und ihrer freundin vor einer der malls und zeigen ihr an einem kleinen stand das objekt unsere begierde. die beiden fuehren uns zu einem freund der freundin im nachbargebaeude in den siebten stock, wo sich in einem schraddeligen buero hinter mehreren computerarbeitsplaetzen meterhoch kisten mit tablets stapeln. markenware, halber preis. die passen uns aber nicht. ein anderer freund fuehrt uns dann nochmal eine mall weiter zu einem shop, wo wir "unser" tablet etwa zwei drittel so teuer bekommen wie in den anderen shops. jetzt ist die parterin ihrer freundin was schuldig, diese dem freund, dieser wiederum dem anderen freund, und so weiter. wir haben uns da ein bisschen eingelesen, das ist wohl konfuzianisches erbe, trotz kulturrevolution und moderne immer noch lebendig. die beziehungen untereinander sind sehr streng und auch hierarchisch geregelt, und eine gefaelligkeit muss immer im gleichen gegenwert revanchiert werden. so sind sich alle immer gegenseitig was schuldig. andererseits ist es aber normal, freunden von freunden von freunden, die einem komplett unbekannt sind, selbstverstaendlich zu helfen, wenn hilfe noetig ist.

fremde sind aber innerhalb dieses systems komplett aussen vor, sie sind quasi keine personen. dies fuehrt dazu, dass der umgang in der oeffentlichkeit, im bus, auf der strasse oder im laden, sehr rauh ist. wir wundern uns oft, dass unser gruss unerwidert bleibt, im laden kein "danke-bitte-aufwiedersehen" erwiedert wird. beim einkaufen oder am fahrkartenschalter passiert es uns (und wir beobachten es auch bei anderen) regelmaessig, dass sich jemand (mit koerperkontakt) vordrueckt, um schnell eine fahrkarte, eine schachtel zigaretten oder sonst was zu kaufen. bloederweise faerbt das jetzt auch schon auf uns ab, ich hab heut frueh eine aeltere dame energisch auf die seite gedrueckt, die mir den ellenbogen in die rippen gerammt hatte, um eine fahrkarte vor mir zu ergattern, weil ich halt erst zweimal nachfragen musste... weder die leute hinter dem tresen noch die weggedraengten reagieren aber empoert, es ist teil des normalen alltags. die leute umstehen uns oft, starren uns an, lachen oder unterhalten sich ueber uns, und wenn wir winken, nicken, gruessen, kommt einfach nix zurueck, keinerlei regung, oft nicht mal von kindern. wir fuehlen uns manchmal wie teile unserer fahrraeder. wenn wir vom rad absteigen, um nach dem weg zu fragen, drehen sich die leute manchmal demonstrativ weg und schauen eine wand an oder laufen gar davon, und schon mehrmals wurde uns trinkwasser verweigert und wir wurden energisch vom hof geschickt. das alles liesse sich dadurch vielleicht erklaeren.

UND: es gibt gluecklicherweise immer und ueberall viele ausnahmen von der regel. leute, die sehr nett und freundlich sind, offen auf uns zukommen und uns hilfe anbieten. sonst waeren wir inzwischen echt verzweifelt...

zweiter nachtrag chengdu: der sea food market. weil wir die maerkte (besonders die nachtmaerkte) so gerne moegen, entschliessen wir uns, auch den fischmarkt zu besuchen. zoologisch hoch interessant, hier kreucht (oft aus der letzten kieme) alles, was das meer (und sonstige feuchtgebiete) in seiner ueppigen fuelle zu bieten hat. eine seegurke hab ich zum letztenmal auf einer meeresbiologischen exkursion am mittelmeer gesehen, hier gibts beckenweise davon. auch kleine haie, schildkroeten, froesche, schlangen, langusten, krebse, schollen, aale, ... allerdings: viele dieser tiere sind in freier wildbahn "mangelware", und spaetestens, als wir eine ausgewachsene karettschildkroete in einem minibecken strampeln sehen, wird uns uebel. hoechst gefaehrdet, streng geschuetzt, hier als delikatesse teuer verkauft und zu suppe verkocht, guten appetit. 

 

 

13.11.2013 luo biao, china.  tiefste provinz... ein chinesisches sprichwort besagt, dass es hier keine drei quadratmeter ebenes land gaebe, keine schoenen drei tage am stueck und keine drei muenzen zum klimpern. sprich: es ist bergig, immer schlecht wetter und sehr arm. das koennen wir aus tiefstem herzen bestaetigen.

die sonne haben wir seit chengdu nicht mehr gesehen, und manchmal haben wir das gefuehl, es wird gar nicht richtig tag. es ist neblig-diesig, regnet oft, und alles ist immer kuehl-feucht und klamm. so kommts, dass wir grad wenig zelten (zumal es echt schwierig ist, ueberhaupt einen geeigneten platz zu finden, s.u.) und in den genuss mehr oder weniger "einfacher" hotels kommen, die sich zum glueck ueberall finden.

der chinesische strassenbauwahn hat die kleinen land- und dorfstrassen, die sich in steilstem auf und ab durch die huegel schlaengeln, offensichtlich ganz vergessen. sie sind oft in einem erbaermlichen zustand, die asphaltdecke zerrissen oder ganz weg-erodiert, groebster schotter, auf dem sich lastwaegen, einachserle, lastendreiraeder und motorraeder muehsam entlangquaelen. auch ansonsten macht alles einen eher aermlichen eindruck, wobei schlamm und wetter sicherlich ihren teil beitragen.

was die berge angeht: die topographie ist anstrengend - und wunderschoen. steile bergkegel, felswaende, tief eingeschnittene flusstaeler, schluchten. jeder quadratmeter, der nicht allzu steil ist, wurde terrassiert, ansonsten dickicht und wald. subtropisch: sehr viel bambus und bananenstauden. es wird noch auf dem letzten fleckchen erde leuchtendgruenes gemuese gepflanzt, der soja wird grade geerntet, getrocknet und gedroschen, die mandarinen haengen prall und reif am baum. viele der terrassen sind geflutet, ueberall gibts kleine tuempel und becken mit karpfen drin. also ein ueppiges gruen, das wir durchradeln.

immer wieder scheint eine "laendliche idylle" durch, wenn die leute auf ihrem kleinen hof mit bambusklatschen soja dreschen, die enten daneben im teich gruendeln, die hunde zu traege zum bellen daneben liegen, ein altes muetterchen mit der sichel und einem bambuskorb gemuese erntet.

in einem kleinen dorf machen wir halt, um gemuese und brot (dampfnudeln aus dem bast-dampf-garer) zu kaufen. eine junge frau, die gut englisch spricht, hilft und begleitet uns. etwa dreissig leute umstehen uns und schauen zu. es wird viel gelacht und gewunken, wir bekommen frische und geroestete erdnuesse und gemuese geschenkt. dann sagt die frau: "sorry for they are looking like this, but it is the first time that they have seen foreigners"... 

aber dann zerbroeckelt das idyll doch immer wieder recht schnell. ueberall schwelt muell vor sich hin oder wird den hang runter in den fluss gekippt. und alte, verhaermte leute klauben plastikfitzelchen oder papierfetzen aus dem muell raus, weil sie vielleicht ein paar yuan dafuer bekommen.

schaebig - und unfassbar dicht besiedelt! es gibt nie einen blick in irgendeine richtung ohne haeuser. es sind immer und ueberall menschen. die ersten hundertzehn kilometer nach chengdu gabs noch nicht mal eine einzige bauluecke, hundertzehn kilometer bebauung am stueck!!! die punkte auf unserer landkarte, die wir als doerfer erwartet hatten, sind immer gleich grosse staedte. kilometerweit. die haeuserfronten bestehen immer aus rolltoren, egal, ob laeden, restaurants, teehaeuser, werkstaetten oder wohnungen. das ganze leben spielt sich in diesen nach vorne offenen raeumen ab, also quasi auf der strasse. oft ist irgendwo noch eine gemauerte kochstelle, steht ein sofa oder ein paar stuehle, manchmal ein elektrischer heizstrahler unter dem tisch. zig laedchen reihen sich aneiander, die alle im wesentlichen zigaretten, kekse, alkohol und ein bisschen haushaltswaren anbieten. mini restaurants reihen sich aneinander, mit kleinen tischchen und kinderstuehlen- oder hockern, weil der platz zu eng ist fuer grosse tische und stuehle. die "teehaeuser" sind eigentlich immer "spielsalons", manchmal haben wir den eindruck, dass das halbe dorf, jung und alt, maenner wie frauen, in den teestuben sitzt und karten spielt, egal zu welcher tageszeit. und wer kein geld hat, steht drumrum und schaut zu...

noch zu unseren touristischen aktivitaeten: leshan haben wir angefahren, weil dort der weltgroesste buddha sitzt, seit die taliban ihre felsenbuddhas vor einigen jahren in die luft gesprengt haben (weil sie nicht islamisch waren. die idioten). der leshan-buddha ist ueber siebzig meter hoch, im sitzen, er schaut sehr friedlich auf den zusammenfluss dreier fluesse. ein frommer moench hatte ihn begonnen, um die gefaehrlichen stromschnellen zu beruhigen, und nach der fertigstellung (die er nicht mehr erlebt hat) waren die fluesse tatsaechlich beruhigt, weil der halbe berg im flussbett lag... an einer engen treppe, die ebenfalls in den roten sandstein gehauen ist, koennen wir vom kopf zum fuss herab- und auf der anderen seite wieder hinaufsteigen. sehr eindrucksvoll, und zumindest der kopf sehr harmonisch.

die froschperspektive hat etwas unproportioniertes an sich, aber fuer einen frosch bestehen menschen wahrscheinlich auch nur aus grossen fuessen an dicken beinen...

in der naehe des buddha ein einsames kloster auf einem steilen berg mitten im wald.

in einer art "kreuzgang" hunderte fast lebensgrosse heilige mit grotesken, comicartigen gesichtszuegen.

durch zufall und glueck landen wir in einem hotel im siebzehnten stock, blick auf fluss und uferpromenade, wo abends wieder musik und tanz und gymnastik stattfinden. mit einem overheadprojektor werden liedtexte auf eine leinwand projeziert, eine engagierte dirigentin spornt einen feierabendchor zu hoechstleistungen an...

und hier, luo biao: spektakulaer schoene, schroffe kalkfelsen mit verschwurbelten tropfsteinen und sinterfahnen. und mit vielen zapfenloechern drin, in schwindelerregender hoehe. eine unbekannte, vergessene ethnie hat hier ihre toten in saergen aus ausgehoehlten baumstaemmen (luft-)bestattet.in den felswanden hier haengen noch etwa zwanzig bis dreissig saerge, in der ganzen gegend sinds wohl noch ueber hundert. immer wieder faellt einer runter, wenn das holz durchgewittert ist. in einem kleinen museum am eingang des tals steht einer der saerge, er ist komplett mit geldscheinen ueberhaeuft, wie alles "heilige" in china. zwei der skelette schimmeln in einer glasvitrine vor sich hin (ihnen fehlt wohl die hoehenluft).

 

 

 

19.11.2013  guilin, china.  wir bleiben unserem prinzip treu, aus der china-karte ein mosaik aus grauen und roten linien, sprich: aus rad- und busstrecken zu machen. wir "kaempfen" uns tagelang im dichten dies und nieselregen die steilen terrassierten berge rauf und runter, ein albaufstieg nach dem anderen. wir sind schon innerlich ganz klamm. wenns wenigstens schoen waere, aber selbst in den spektakulaer schluchtigen taelern reihen sich siedlungen kilometerweit aneinander, ziehen sich oft riesige fabriken die haenge hinauf, die luft riecht oft so giftig, dass wir versucht sind, das atmen einzustellen. 

obwohl wir eine deutsche uebersichts- und chinesische provinzkarten haben und staendig nachfragen, geraten wir auf die falsche landstrasse. wir haben manchmal das gefuehl, viele leute zeigen auf jeden fall geradeaus, auch wenn sie vielleicht nicht lesen koennen... zu unserem glueck, so kommen wir unverhofft nach taiping. die rote armee hatte dort auf ihrem "langen marsch" quartier gemacht und eine strategisch wohl wichtige flussueberquerung bewerkstelligt, indem "die bewohner von taiping, begeistert vom vorruecken der roten armee, spontan alle ihre tueren spendeten, um eine schwimmende bruecke zu bauen". so wurde das stadtzentrum vor jeglichen baulichen eingriffen bewahrt und als eine art "bewohntes freilichtmuseum" erhalten. ueberall schilder (hier war die residenz von mao, hier die obstverteilungsstation, hier das krankenhaus...). am besten gefaellt uns: "dieser baum (ficus spec.) ist sehr alt, obwohl er so einen duennen stamm hat. von seiner expoierten stelle aus wurde er zeuge der heldenhafen flussueberquerung der roten armee". neben unserem hotel macht grad ein zirkus halt, zwei tiger und ein baer in drei mini-kaefigen, brachial laute techno-musik und uebersteuerte ansagen. erinnert uns an die vielen hochzeiten, die wir zwei tage lang in jeder stadt und jedem dorf beobachten konnten. (die hochzeitstermine werden astrologisch berechnet, das waren wohl zwei guenstige termine). vor strassenrestaurants war immer eine ganze koch-strasse aufgebaut, die hochzeitsgesellschaft schmausend an langen reihen tischen, und rechts und links rieige lautsprecher, die lautesten techno und pop auf die leute einhaemmern, unterhaltung unmoeglich...

 

"wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein lichtlein her"...  auf dieser etappe sind wir immer wieder kurz davor, in den bus zu steigen und wegzufahren. an einem abend kommen wir durchgefroren einen pass runtergeradelt, fast 15 kilometer, und finden durch glueck ein wirklich wunderhuebsches hotel, mit zwei phantastischen hotellieren. sie helfen uns sogar, die schlammverkrusteten taschen in unser zimmer (unter die dusche) zu tragen. es gibt heizung !!! und warmes !!! wasser satt !!! aus der dusche. nebenan ein kleines restaurant. wir essen unseren ueblichen reis mit gemuese. am nachbartisch eine fidele runde, die auch schon bei der hotelankunft assistierte. nach und nach gesellen sie sich zu uns uns spendieren eine runde schnaps. dann beschliessen sie, uns ins hotel zu begleiten. ein tisch in der "lobby" wird gemietet, dann kommt gruentee und sonnenblumenkerne, spaeter honiggesuesster mandarinentee und apfelschnitzchen. zwei der leute koennen ein bisschen englisch, wir graben alles chinesisch (und das lexikon) aus. ein so fideler und herzlicher abend. und tags darauf: unsere bisher einfachste hotelunterkunft in china, eiskalt, zugig, die betten feucht,... wir essen gekochten salat mit reis (anderes gemuese war in der kueche nicht zu finden) und bekommen mit, dass jemand von den wirtsleuten geburtstag hat. die kinder tragen papierkronen uns pappteller mit neonblauer torte herum. als sie uns torte zum nachtisch bringen, entschliessen wir uns zu einem spontanen geburtstagsstaendchen. und werden sofort ins von der familie belegte zimmer geladen (alle etwas groesseren restaurants haben einzelne separees mit einem grossen runden tisch mit drehplatte in der mitte). auf dem tisch steht ein brodelnder "hot pot", in den fleisch, gemuese, pilze und tofu getaucht werden, wie fondue. widerstand zwecklos, ein zweites abendessen mit grosszuegig tsingtao-bier erwartet uns. als sie erfahren, dass wir kein fleisch essen, fragt der handy-uebersetzer: "but do you enjoy live???". es wird ein sehr netter abend, morgends werden wir winkend verabschiedet.

 

ausschlaggebend fuer unser bus-hopping war, dass wir einfach zu langsam vorankommen. manchmal sinds grad sechzig bis siebzig kilometer, obwohl wir den ganzen tag heftig strampeln. und dann werden wir von vier unabhaengig befragten leuten gleichermassen in die irre geleitet: statt sechs sinds ueber sechzehn kilometer bergauf bis zur ersehnten stadt, und nach einigen kilometern entpuppt sich die strasse als autobahnzubringer ohne fluchtmoeglichkeit. das ganze bei nacht (die hier sehr frueh einbricht) und dem stressigen chinesischen verkehr, dem ein extra kapitel gewidmet werden wird. deshalb "fliehen" wir nach guilin, dem naechsten etappenziel, ruhen uns hier aus und geniessen den suedchinesischen kegelkarst. sind schon wieder "mopsfidel"...

eine huebsche und sehr aufgehuebschte stadt, hochtouristisch, aber nett. wir lernen den ersten "gangster" unserer reise kennen: sitzen am see mit blick auf die "groesste bronze-pagoda" der welt, da gesellt sich ein sehr sympathischer junger mann zu uns. spricht perfekt englisch, will naechstes jahr nach manchester. er kommt aus einer alten teebauernfamilie, naechste woche geht er heim, um beim tee ernten zu helfen. (moment mal, tee ernten im november?...). ach ja, seine familie hat auch ein teehaus in der naehe, er laedt uns ein, den ganz neuen "bambus-tee" zu probieren. hatten wir schon oft davon gehoert, nach der verkostung muss der einladende neue freund ploetzlich kurz weg, und die rechnung fuer den spezial-tee betraegt etliche hundert dollar (so stehts auch auf der speisekarte, die sich natuerlich niemand angeschaut hatte), freundlich eingefordert von zwei gorillas. tee-ernte ist im fruehling, zum glueck hatte es bei uns rechtzeitig geklingelt, zumal er uns unterwegs auch noch bei einem fussmassagestudio unterbringen wollte, wo grad "zufaellig" ein termin frei war. aber nett war er, ein charmanter abend... 

 

 

22.11.2013 yangshuo, china.    jetzt sind wir im herzen des kegelkarstes und an unserem "urlaubsort" angekommen. zwei tage lang sind wir den li river entlanggeradelt, in schleifen und boegen das enge flusstal runter, zwischen himmelhoch aufragenden zuckerhutfoermigen karstkegeln, hunderte meter hohen felswaenden, atemberaubend. alle hundert meter aendert sich die perspektive komplett. wir sind auf kleinsten straesschen unterwegs, die sich manchmal in fusswege, trampelpfade oder wohlgefallen aufloesen. einmal endet der weg an einer klippe, rechts felswand, links fluss. zum glueck kommt gleich ein wartender faehrmann und bringt uns ans andere ufer. ein andermal fahren wir fuenfundzwanzig kilometer steilst auf und ab, um etwa fuenf flusskilometer weiter wieder ans wasser zu stossen. der fluss selbst ist komplett bedeckt mit "bamboo-raftings" (und groesseren "river-cruise"-schiffen), die aber inzwischen alle aus pvc sind. mit den ganzen aussenbordern hoert sich das an wie samstagmorgen auf dem lande, auf jeder wiese ein rasenmaeher...

als wir abends (endlich mal wieder) unser zelt aufschlagen, direkt am fluss mit postkarten-aussicht, tuckern sicher zwei stunden lang floesse an uns vorbei, flussaufwaerts, zurueck zum heimathafen fuer den naechsten tag. und - so leids mir tut - es ist auch schon wieder ganz schoen "touristisch versaut". wir muessen immer mal wieder uebersetzen, weil die wege regelmaessig den fluss kreuzen. der tarif ist immer zehn yuan pro nase. im hauptort der schlucht will uns jedoch niemand uebersetzen, alle fuchteln uns mit den hochglanzprospekten unter der nase rum, bamboo, bamboo??? schliesslich kommt das erst angebot: 200 yuan fuer fuenfzig meter uebern fluss, zaeh auf sechzig runtergehandelt. das sind fuer uns zwei ueppige mittagessen, zu zweit. spinnen die? wir radeln die besagten 25 km zum naechsten anleger, hart, aber wunderschoen. und kommen schliesslich nach yangshuo.

unser "urlaubsort" liegt einige kilometer ausserhalb in einem kleinen dorf, zwischen karstkegeln und fluss. ein hollaender hat hier vor zehn jahren einen aufgegebenen bauernhof gekauft und in ein hostel umgebaut, sehr stilvoll und wunderschoen. 

wir wollen hier eine woche verbringen, spazieren, radeln ohne gepaeck, lesen, nix tun, und vor allem: wir hatten heute unseren ersten tai chi kurs in einer nahegelegenen tai ji schule.

ein sehr netter und wirklich guter lehrer, bei ihm sieht alles so fliessend und muehelos aus, bei mir knackts und ziehts ueberall. ist aber ein toller ausgleich zum radeln! 

 

02.12.2013 yang shuo, china.    immer noch im landurlaub! 

wir hatten heute unseren zehnten tai ji kurstag, morgen werden wir den bewegungsablauf der "eighteen form" komplettieren. wir sind - trotz muskelkaters - schwer begeistert. bei unserem lehrer ping sieht alles so schwebend leicht aus und ist trotzdem so unglaublich konzentriert und kraftvoll. er steht da wie ein hauch, in sich ruhend, und ich kann ihn mit aller kraft noch nicht mal ins wanken bringen. dann macht er eine fliesend geschmeidige bewegung und hebelt mich nebenbei um... da haben wir noch viel vor uns, trotzdem hab ich schon nach zehn tagen das gefuehl, mich anders zu bewegen. nach dem kurs gehen wir meist reisnudel-sueppchen mit geroesteten erdnuessen, chili und sauer eingelegten bohnen essen (eine schale kostet an den strassenlaedchen grad mal fuenfzig cent!). 

nachmittags gehen wir auf "unser" plateau am ende der welt, eine kleine versteckte hochflaeche zwischen karstkegeln, und ueben (und liegen in der sonne, die wieder verlaesslich scheint).

oder machen kleine radausfluege, zum beispiel zur "gold cave", eine unfassbar bunt illuminierte tropfsteinhoehle. die fuehrung besteht aus hinweisen wie: "this is an elephant, do you see the big broccoli over there, here you can see dolphins, it's all about imagination"... sehr schoen!

noch schoener: am ende der vier kilometer langen hoehle ein kaltes schlammbecken. nachdem wir uns ueberwinden reinzugehn, schweben wir auf dem schlick und muessen uns so ein bisschen einwuehlen. nach einer kurzen kalten dusche (mitten zwischen die tropfsteine installiert) wartet dann ein kleines thermalbecken, angenehme neununddreissig grad, wir vergehen fast vor behagen. das hatten wir so lang vermisst!

abends fahren wir meist in die stadt (nach der doerflichen ruhe immer ein schock, yang shuo ist einer der touristischen hot spots von china) und essen in unserem stammlokal: eine grosse gemuese-, tofu- und pilztheke. die gaeste bekommen eine kleine plastikschuessel, laden sich rein was sie essen moechten. das wird dann kleingehackt und im wok schnell gebraten. schale reis dazu, fertig, toll!!!

 

einige nachtraege:

muskelkraft: wir wundern uns, dass hier in china so wenige tiere zum lastentragen benutzt werden (in zentralasien und westchina gabs noch ueberall esel). oder mehr hand- und schubkarren (die werden vor allem zum zementanruehren und transportieren benutzt). es werden zwar fast unglaubliche lasten auf den kleinen dreirad-fahrraedern, -motorraedern oder -lastwagen transportiert, aber fuer den nahtransport oder in der landwirtschaft wird fast alles auf der schulter getragen. eine stange aus federndem, gespaltenem bambus ueber die schulter, zwei koerbe oder saecke oder kisten dran, gemuese, ziegelsteine, zementsaecke, alles wird auf diese weise transportiert. 

so viele leute haben fast kreisfoermige o-beine, weil die knie der dauernden ueberlastung nicht gewachsen sind, und schaetzungsweise zehn prozent der "alten" haben die wirbelsaeule im rechten winkel gekruemmt.

geld essen: wir sind begeistert, mit welcher begeisterung in china gegessen wird, wie fidel die essensrunden in den separees der lokale immer sind, wie die ware auf dem markt geprueft wird, ueberhaupt welche auswahl es auf den maerkten immer gibt. alles immer frisch (die chinesische lebensmittelchemie- und ihre skandale jetzt mal ausser acht gelassen...). aber essen ist in china - mehr als sonst wo in der welt - auch ein statussymbol. bei einladungen, vor allem wenns um geschaefte geht, muss es ausgefallen und teuer sein. hier im dorf gibts einen tierhaendler. er kauft alles, was die oertlichen jaeger und bauern ihm anschleppen. voegel (es werden einfach grosse netzte aufgespannt), schlangen (der hostelbesitzer hat dort letzte woche drei kobras und einen uhu besichtigt), alles was kreucht und fleucht. je seltener ein tier ist, desto begehrter und teurer, logisch. der tierhaendler verkauft alles an restaurants weiter, und die bereitens dann fuer die illustren gaeste zu. wir lesen grad ein buch von liao yiwu, mit interviews "vom rande der gesellschaft". ein "feinschmecker" beschreibt darin, was er schon alles gegessen hat und wie. "ich habe schon tiere gegessen, die waren so selten, wenn du da ein einziges davon isst, dann fehlt eins. sie haben zum teil nicht mal gut geschmeckt, aber solche kostbarkeiten muss man einfach essen"... wir haben manchmal den eindruck, wenn hier was entspreched teuer ist, wirds auf jeden fall gekauft. ein halber liter bier kostet normal in china etwa einen halben bis einen euro. in der "west street" in yang shuo kostet eine 0,33-liter-dose heineken fuenf euro, und die leute (d.h. touristen aus den chinesischen metropolen) trinken's wie bekloppt, um zu zeigen, dass sie sich das leisten koennen.

lastwaegen: weils fast ueberall so steil rauf- und runtergeht und die lastwaegen so unglaublich schwer beladen sind (ich glaub, viele sind 55-tonner), muessen sie ihre radlager beim pass-runterfahren kuehlen. sie haben immer einen grossen wassertank montiert, von da gehen leitungen und schlaeuche zu allen radlagern. die werden dann dauernd leicht berieselt. es dampft unglaublich, die strassen sind dann immer mit einer schmierigen wasser-metall-gummiabrieb-schicht bedeckt. sobald ein bach oder fluss die route kreuzt, gibts wasser-tankstationen, oft gleich noch mit einem hochdruckreiniger zum auto- und lkw-putzen. die werden fast immer von frauen betrieben, oft gibts gleich noch ein restaurant oder nen kiosk dabei. haben wir auch immer wieder in anspruch genommen, um den schlamm von unseren raedern (und dem gepaeck) zu pusten. (keine angst, dieter, die lager haben wir verschont!).

"das schwache geschlecht": die maer vom schwachen geschlecht wird in china gruendlich aufgehoben. oder gar auf den kopf gestellt. koerperliche harte arbeit ist hier nicht im geringsten maennersache, im gegenteil, wir haben oft den eindruck, dass frauen viel mehr schleppen und anpacken als maenner. auf baustellen pickeln und schaufeln oft grad soviel frauen wie maenner. es ist voellig normal, dass ein junges paar gemeinsam an seinem haus baut und die frau am betonmischer steht oder armiereisen schleppt. die kapos auf den baustellen sind natuerlich dann doch immer maenner, und die fuehrungsebenen von wirtschaft und politik sind - auch in china - eh altherrenriegen. 

schuluniformen: eigentlich mag ich ja keine uniformen, aber der markenklamottenzwang unter teenies ist auch bloed. also doch lieber schuluniformen? die bisherigen waren sich sehr aehnlich (ausser im iran, da waren ferien) und haben einem sehr simplen geschlechterklischee entsprochen: buben mit schwarzer hose und weissem hemd, maedchen mir mehr oder weniger kurzen dunklen roeckchen, weissen struempfen und blusen, in kirgistan kamen noch weisse puescheln im haar dazu... da lob ich mir china: alle kinder einer schule tragen die gleichen trainingsanzuege, meist mit schullogo, oft mit grossem adidas-logo (gut gefaked ist grad so schoen). nach schulschluss sieht das mitunter wie eine lawine aus, die sich auf die strassen ergiesst, aber: die gesichter zaehlen, nicht die klamotten drunter. hat was!

baustoffe: obwohl's in china ja riesige firmen und fabriken mit (hundert-)tausenden von arbeiterInnen gibt, ein grossteil der betriebe, laeden, restaurants sind ein-mann/frau/familienbetriebe. in jedem dorf, das wir durchradeln, gibts mehrere baustofffabriken, wo beton-hoch-loch-steine (und andere bauteile) gegossen werden. stueck fuer stueck, mit einer ganz einfachen maschine, meist von grad mal zwei leuten. betonmischer, trichter, rein in die form, ruetteln, dann werden sie vorsichtig weggestellt zum aushaerten, gestapelt und verkauft (oft holen die leute mit dem motorrad oder dreiradmoped die baustoffe fuer ihren hausbau). aus diesen grauen steinen (und aus ziegeln, in jedem fuenften dorf gibts ziegeleien) ist china erbaut. dazwischen immer wieder kleine saegereien, viele furnierwerke und kleine kalkwerke, wo gebrannter kalk geloescht und zu kalkschlaemme aufbereitet wird.

wasserbueffel: ein bisschen trauern wir ja schon unseren yaxen nach. die hiesigen rindviecher haben schoene koepfe, mit ihren halbmondfoermig geschwungenen hoernern. ab dem hals nach hinten sehen sie aus wie eine kinderzeichnung: ein ovaler ballon auf vier fuessen. (selbst ihre haeufen sind riesengrosse runde fluffige balloons, bis ein auto drueberfaehrt). sie sind unglaublich traege, schauen auch so, sie bewegen sich langsam und nur, wenn sie sollen. dann ziehen sie waegen (zum beispiel voller zuckerrohr, dem hauptanbauprodukt hier) oder ganz einfache pfluege. das sieht dann hinwiederum sehr malerisch aus: bauer in blauem arbeitskittel und blauer hose mit kegelfoermigem basthut, der am pflug hinter seinem wasserbueffel durchs brache reisfeld geht, furche um furche, wie vor tausend jahren. und weil die aecker ja fast ueberall terassiert, klein und geschwungen sind, wurden die bueffel noch nicht voellig von traktoren und einachsern verdraengt.

 


 

 

05.12.2013 yangshuo, china.      ...und weil der schoenste urlaub mal zu ende geht, radeln wir morgen frohgemut weiter!

 

 

 

13.12.2012 beihai, china.      dafuer haben sich die letzten tage mit regen, matsch und baustellen, viel lkw-verkehr und schlagloechern gelohnt. 

wolln mal nicht untertreiben: davor hatten wir auch einige tolle zeltplaetze, schoene landschaften mit karstbergen und hin und wieder einsame kleine strassen. an einem abend verlassen wir die strasse und gelangen auf einem gewundenen fussweg an einen teich. wir richten uns ein, hundert meter weiter eine kleine huette aus brettern und planen. einige kleider haengen zum trocknen draussen, einiger gesammelter sortierter muell, wir sind gespannt. als es fast dunkel ist, schiebt ein alter mann sein bepacktes klappriges fahrrad den weg hoch. wir versuchen, uns vorzustellen, und schenken ihm einige fruechte. wenig spaeter kommt er im schein einer taschenlampe und bringt uns eine grosse tuete voll reis, wir sollen immer davon essen, wegen radeln... er spricht sicher eine halbe stunde auf uns ein und fragt uns viel, wir verstehen leider nix. trotzdem sehr ruehrend, und als er schlafen geht, plaudert er noch eine weile, wir vermuten, mit seinen enten im teich.

und nach langer zeit stossen wir wieder mal auf ein tempele. sehr unspektakulaer, ein aelterer mann fuehrt uns rum und erklaert uns lachend die ganzen heiligen, wir verstehen kein wort, aber es ist nett. (wenn wir das auf der reise richtig mitbekommen haben, ist seit diesem jahr, nachdem die welt 2012 ja doch nicht untergegangen ist, maitrea, der lachende buddha der zukunft, am ruder. das ist der, der in den ganzen china-restaurats eh schon immer rumsitzt mit seinem dicken, gluecklichen bauch).

also: wir sind in beihai angekommen, das heisst erstens: am meer! und zweitens (weil die stadt am noerdlichen wendekreis liegt): in den tropen! das ist zwar bisher nicht spuerbar, trotzdem sind wir soooo gluecklich, als zwischen regenschauern und nebelschwaden ploetzlich die ersten fischerboote zwischen den baeumen am strassenrand auftauchen. 

wir quartieren uns in einer netten jugendherberge direkt am meer ein. ein paar schritte vor die haustuer: endlich wieder strand unter den fuessen. die wattwuermer und krebschen verwandeln die glatte sandflaeche mit ihren kothaeufchen fast schon in abstarkte kunst. ein gestrandetes UFO...

und hafen. die fischerboote sind fast alle aus holz, wunderschoene und zum teil recht grosse schiffe. 

die meisten sind mit langen ketten von starken gluehbirnen behaengt, damit werden bei nacht (tinten-)fische nach oben gelockt und dann gefangen. 

wir finden eine kleine werft, wo unser herz mal wieder hoeher schlaegt. 

und offensichtlich verfuegen die schiffe nicht ueber kuehlanlagen, es gibt viele kleine eisliefer-boote, die ueber eine art murmelbahn eisbloecke "tanken" und zu den schiffen bringen. dort wandern die bloecke das foerderband hoch, oben eine eisenwalze mit angeschweissten zaehnen aus armier-eisen, die laermend die bloecke zermalmt. das crunch-eis rutscht dann ueber eine kette aus eimern ohne boden in den schiffsbauch. supereinfach zusammengebaut, klappt prima!

15.12.2013 beihai, china.   Dass wir das nochmal erleben wuerden: beihai hat - als erste chinesische stadt seit kashgar - so was wie einen historischen stadtkern. kolonial-architektur vom feinsten, manchmal fast schon jugendstil. und im gegensatz zu allem, was wir bisher an "historischem" gesehen haben, ist sie nicht im geringsten (tot-)restauriert.

im gegenteil, ein grossteil der gebaeude ist unrettbar verloren (es sind eigentlich eh nur noch zwei strassen uebrig). etliche daecher und decken sind schon eingestuerzt, hinter den fenstern scheint der himmel durch. unten sind oft souvenier-, perlen- und schmucklaeden drin, die sind dann immer sehr schick eingerichtet, ab dem ersten stock stehn viele gebaeude leer. und weils so schuettet, sind wenig leute unterwegs. zwischen malerisch und trist, wir fuehlen uns wie auf einem anderen planeten...

 

 

17.12.2013 beihai, china.     nach einem langen tag im bus (nach guigang, um die visumsverlängerung abzuholen, und wieder zurück) wieder ab ans meer. Nach tagelangen wolkenbrüchen ist wieder die sonne rausgekommen, die temperatzur ist innerhalb von stunden von sechs auf sechzehn geklettert. Trotzdem fährt unsere fähre nach hainan nicht, draussen ist immer noch sturm. das radeln an der küste entlang erinnert an das schwarzmeer, ein hochhausneubau neben dem anderen, hotels und wohnungen. in der zweiten reihe viele liegengelassene bauruinen, in denen sich teiweise schon leute eingerichtet haben. die leeren fensterhoehlen mit brettern zugenagelt, ofenrohr raus, waescheleinen, wo die mauern och nicht hochgezohen sind. das leben ist eine baustelle... in den staedten wundern wir uns oft, wie wenig die neuen hochhaussiedlungen bewohnt sind, bei dreissig stockwerken brennt abends grad mal in fuenf licht. genug der bausuenden, wir kraxeln den restlichentag an der küste entlang. spannend ist, wie fischer auf hohen gestellen im wasser sitzen und von dort oben netze hochziehen und ablassen. 

immer wieder tauchen werften auf, wo mit einfachsten mitteln grosse fischerboote gebaut werden. horizontal-bandsaegen und kreissaegen sind die wesentlichen maschinen. schablonen aus sperrholz fuer die spanten, riesige (mahagoni-)staemme, die vor ort zu brettern und balken gesaegt werden. und neben den "werften": schiffsfriedhoefe, wo die alten schiffe vor sich hin rotten und von hand auseinandergenommen werden. 

harte arbeit, weil alles aneinandergerostet und -gemodert ist. ausser schneidbrenner, grossem klopf und brecheisen haben wir keine werkzeuge gesehen...

zwischen den schiffsruinen haben sich die leute, die die schiffe zerlegen, ihre "haeuser" eingerichtet. sie leben haeufig in den ehemaligen decksaufbauten und kajueten, die am stueck vom bootskoerper abgenommen werden.

 

 

18.12.2013 !!!

das heisst, in einer woche ist weihnachten. das fest der liebe. und der geschenke!!!

ein anlass, uns schon mal bei allen spenderInnen zu bedanken, die unseren verein fluchtpunkte e.v. bisher derart grosszuegig unterstuetzt haben. ihr seid echt toll! bitte lasst dringend eure adressen den fluchtpunkten zukommen (falls nicht schon geschehen). damit wir euch spendenquittung und post zukommen lassen koennen.

wir sind jetzt knapp zwoelftausend kilometer geradelt, der spendenpegel hat sich bei knapp neuntausend eingefunden. da geht noch was! deshalb unser tip an alle, die noch nicht gespendent haben: mit einer kleinen spende fuer unseren rechtshilfefonds in petto lassen sich die feiertage viel besser ertragen...

 

 

20.12.2013 haikou, insel hainan, china.   "...you can check out any time you want, but you can never leave". so ein bisschen sind wir uns vorgekommen wie im "hotel california". wir sind einfach nicht losgekommen von unserer jugendherberge in beihai. zweimal wurde die faehre abgesagt wegen sturm, also (notgedrungen und grummelnd) mal wieder in den bus, zum insel-naeheren hafen. aber der busfahrer hat die frachtraeume des busses zu drei vierteln mit styroporboxen voller fisch vollgepackt - und weigert sich schlichtweg, uns mitzunehmen, trotz fahrkahrten. "zuviel gepaeck". wir versuchen zu argumentieren, dass das ja ein reisebus sei und kein fischtransporter, wir haben die raeder auch klein zusammengefaltet, nutzt nix. als wir zum drittenmal wieder im hostel auftauchen, lachen sie schon, und wir freuen uns ueber einen weiteren hafen- und strandtag.

dann klappts doch noch. obwohl wir auf der falschen faehre landen (es fahren zwei am tag los, fast gleichzeitig, sie liegen nebeneinander. alle rennen panikartig los, als eine halbe stunde vor ablegen das gate aufgemacht wird, wir auch...). wir ergattern noch zwei freie pritschen, ruhige ueberfahrt, im morgengrauen sind wir auf der insel.

 

 

29.12.2013 sanya, hainan, china.     reisen bildet: jetzt wissen wir, wo wir beim naechsten mal nicht hinradeln wuerden, und wie umschreibungen in reisefuehrern zu verstehen sind. ueber weihnachten die ostkueste von hainan runtergeradelt, jetzt sind wir angelangt am suedlichsten punkt chinas. und sicherlich an einem der schraegsten: dreissig kilometer lang hotelhochhaeuser und resorts, alles ist ploetzlich neben chinesisch und englisch auf kyrillisch angeschrieben, und wir werden staendig auf russisch angesprochen (und antworten gewohnheitsgemaess auf chinesisch: wir verstehen nichts!). wenn hainan chinas mallorca ist, so ist sanya chinas ballermann...

die fahrt um die insel rum hat sich aber trotzdem gelohnt: wirklich ein tropisches eiland (wenn sich auch sonne und waerme erst im sueden gezeigt haben). weite palmwaelder (dass es so viele unterschiedliche palmen gibt!), kilometerlange kokosplantagen, bananen wachsen am strassenrand.

wir sind - wenns geht - auf ganz kleinen strassen unterwegs, manchmal sinds eher trampelpfade, und treffen hin und wieder auf kleine doerfer mit wirklich "historischer bausubstanz", wunderschoene gemauerte ziegelhaeuser mit tollen daechern, zwischen den baeumen sind ueberall haengematten gespannt.

klar wird hier ueberall auch gearbeitet, gefischt und gemuese gepflanzt. bei dem klima explodiert das hier richtig. unter palmen erspaehen wir eine knopffabrik: neben bergen von kokosschalen sitzen leute an staenderbohrmaschinen und bohren scheibchen raus. insgesamt macht das leben der insulaner jedoch einen recht chilligen eindruck.

die teehaeuser sind noch voller als sonst ueberall - und wie ueberall sinds eher maenner -die den lieben gott einen guten mann sein lassen und den ganzen tag lang tee trinken, rauchen, karten, mah-jongg und lotto spielen.

a propos lieber gott: der ist hier wieder hoechst praesent, fast vor jedem haus ein kleines tempele (wie eine hundehuette am tor) oder gleich ein richtiger schrein mit ummauertem hof, wo die lokalen goetter verehrt werden (oder sinds die ahnen)?

manchmal steht so eine art baertiger gartenzwerg drin, oft gibts aber auch nur einen altar fuer raeucherwerk, schnaps und obst, ohne statue).

lieber gott zum zweiten: weihnachten war fuer china ein guter tag: das parlament hat am 25.12. die abschaffung des systems "umerziehung durch arbeit" beschlossen. seit 1957 wurden in china zigtausende - ohne gerichtsverfahren - fuer bis zu vier jahre in arbeitslager gesperrt (mit oft toedlichen folgen), weil sie nicht systemkonform waren oder schlichtweg der polizei unangenehm. wir haben da haarstraeubende geschichten ueber entsetzliche schicksale gelesen. inwiefern dieser beschluss dann auch umgesetzt werden wird, muss sich zeigen. und dann wurde die lockerung der ein-kind-politik beschlossen, was hoffentlich zu weniger abtreibungen von weiblichen foeten fuehren wird und die bisherigen zwangssterilisationen und zwangs-spaetabtreibungen beenden wird.

und zu den teehaeusern: hier auf der insel wird wieder kaffee getrunken! zum fruehstueck kommt das ganze dorf ins teehaus (so machts den eindruck), es wird starker schwarztee, gruentee oder ganz schwarzer, fast schon oeliger, stark gebrannter, aber milder kaffee getrunken (ist da zichorie drin?). viele trinken gezuckerte kondensmilch dazu, drei zentimeter im boden des glases. nach und nach wird das ganze dann mit heissem wasser wieder aufgefuellt und runterverduennt. dazu gibts nudelsuppe oder gefuellte baozi, dampfnudeln.

bis zweitausendzwanzig soll die insel ein einziges riesiges resort sein, haben wir gelesen. wir haben das gefuehl, es ist jetzt fast schon so weit. an vielen buchten entstehen aus dem nichts raus urlaubs-grossstaedte. wir wollen auf einem (in der karte eingezeichneten) feldweg in ein fischerstaedtchen, der feldweg ist zehnspurig ausgebaut (aber noch gesperrt), neben dem staedtchen wuchert "blue ocean beach", hochhausbaustellen bis zum horizont.

wir fragen uns, seit wir in china sind, wie denn der umbau der staedte in so kurzer zeit stattfinden kann: wir fahren in ein laut aktuellem "lonely planet" urspruengliches und unspektakulaeres fischerstaedtchen. an der hauptstrasse reihen sich dutzende, nein, ueber hundert schicke geschaefte aneinander, in denen korallen, korallenschmuck, riesenmuscheln und vor allem aus muscheln gefraeste und geschliffen ojekte verkauft werden, immens schick und sehr teuer alles.

alle haeuser sind in aehnlichem stil neu gebaut oder frisch renoviert, alle ladenschilder in einheitlichem design, es gibt nicht ein einziges altes haus, das aus der rolle faellt. erst hinten drueben und am hafen siehts dann aus wie ein hafenstaedtchen, schraddelig, muellig, malerisch, trubelig, "urspruenglich" halt. das gleiche phaenomen haben wir schon in so vielen staedten beobachtet, die von touristischem interesse waren. 

unsere naechte verbringen wir wenn moeglich irgendwo am strand, und wenn nicht grad ein hotel rumsteht, sind die buchten und kuesten immer komplett menschenleer. dafuer lohnt sich der ganze rest!

...kann aber auch gern ein leeres fischzuchtbecken sein, wenn grad weit und breit keine zwei anderen halbwegs ebenen, sicht- und sturmgeschuetzten, nichtbepflanzten quadratmeter zu finden sind und wir von den ex-fischern so freundlich dazu eingeladen werden: 

als wir hainan betreten hatten, waren wir erstmal geschockt: blut auf der strasse! unfall! mehr blut! schiesserei! noch mehr blut! drama im alltag! wieder blut! soviel blut kann niemand verlieren, also doch eher rostschutzfarbe?

bis wir die dicken backen der leute gesehen haben. und ihr ausspucken. die meisten maenner (vom coolen teenie bis zum greis) und viele frauen (mittelalter aufwaerts) kauen von morgens bis abends kleine gruene palmfruechte, zusammen mit einer weissen paste, die in ein blatt eingewickelt ist.

sobald das ganze im mund ist, wirds sofort tiefrot, der mund wird pelzig, und der speichelfluss wird voll aktiviert. wir musstens sofort wieder ausspucken, die leute hier kauen ewig drauf rum und spucken staendig den roten saft ueberall hin. sie sehen aus wie zombies, die zaehne werden ganz rot (und wir haben den eindruck, sie gehn auch kaputt davon), die lippen leuchten, der saft trieft raus, gruuuuslig. aber: hainans insulanerInnen sind aussergewoehnlich nett, es wird viel gegruesst, gewunken, gefragt. sind auch sehr viele (chinesische) radler unterwegs, hainans ostkueste runterradeln steht auf der chinesischen touristischen to-do-liste. (genauso wie tandem in yangshuo, beim kegelkarst. alle !!! leihen sich dort raeder und tandems aus, alle !!! maedchen kaufen einen blumenkranz fuers haar dazu, fahren die empfohlene tagestour, am naechsten tag bamboo-rafting, und weiter gehts. straffes programm). 

bei kilometer 12427 ist es so weit: bei sirke ist die luft raus! also, nicht bei sirke, aber bei ihrem vorderrad. ihr erster platten! das ist erstens ein anlass, allerhoechste lobeshymnen auf die firma schwalbe zu singen, die mit dem "schwalbe marathon plus" die besten und unkaputtbarsten rad-maentel der welt herstellt, einfach phantastisch!

zweitens ist's ein anlass zum wundern: es stellt sich naemlich heraus, dass es ein doppel-platten ist. ein dorn hat die laufflaeche tief durchbohrt und ein sauberes loch hinterlassen. und direkt gegenueber hat eine speiche das felgenband durchscheuert und zwei halbmonde aus dem schlauch gestanzt. und das beides gleichzeig, vermutlich in einem tiefen schlagloch. bei solch gleichzeitiger zufaelliger unwahrscheinlichkeit ueberlegen wir, doch mit lottospielen anzufangen. das raumschiff "herz aus gold" vom "anhalter durch die galaxis" wuerde mit diesem zufall im tank seines "unwahrscheinlichkeits-triebwerkes" locker fuenf mal von beteigeuze nach china fliegen... bei mir warens immerhin vier loecher, alle in china, zwei durch den gleichen verflixten haarfeinen draht, den ich beim erstenmal nicht gefunden hatte. das vierte loch fand sich in sanya ein, auf dem weg zum bahnhof. wahrscheinlich als rache, weil wir mit dem zug fahrn...

 

01.01.2013  haikou, hainan, china.        sanya fluchtartig verlassen, wir sind wieder in haikou, hier hatte es uns beim herradeln schon gut gefallen. es gibt hier tatsaechlich auch ein kleines "altstadtviertel", und einen sehr schoenen park, unsere taiji-uebungen sind etwas eingerostet... komisches gefuehl: unsere radlerei hat hier jetzt - erstmal - ein ende gefunden. am dritten januar fahrn wir mit dem zug nach hongkong, dort hin- und einzuradeln muss ein horror aus grossstaedten und industriegebieten und verkehr sein, wolln wir uns ersparen und lieber noch ein paar tage honkhonk erkunden. und am 13. januar geht schon unser containerschiff nach trieste/italien.

beim schlendern an silvesterabend (das faellt hier wie weihnachten aus. weniger boeller die ganze nacht ueber als bei einer kleinen landhochzeit oder bei der einweihung irgendeines neuen gebaeudes. und sei's auch nur ne hundehuette, da wird immer ausfuehrlichst und ohrenbetaeubend geballert, d.h. geister verieben). also: beim schlendern stossen wir auf einen baumwolldeckenmacher: mit einer phantastische gebastelten maschine, bei der feine metallrechen, bambusfoerderbaender und spulen ueber riemen und ketten angetrieben werden, haspelt er erstmal die rohware, grobe baumwollvliese, zu fluffigen walzen auf.

zwischen einem gestell aus rechen hat er laengs, quer und diagonal faeden gespannt. da kommen ganz locker geschichtet zwanzig bis dreissig zentimeter "watte" drauf.

alles wird mit einer bambusmatte und einer baumscheibe plattgedrueckt.

dann flicht er mit einer art angelrute in unfassbarer geschwindigkeit faeden drueber, drueckt immer wieder alles platt.

zum schluss wird alles umhaekelt, fertig ist eine ein zentimeter dicke, sehr weiche decke. ein kuenstler!

(das ganze findet auf dem gehweg statt, wie so viele gewerke, essbuden, verkaufsstaende, das halbe leben halt. wahrscheinlich hat er keine werkstatt, an die maschine schraubt er abends raeder und schiebt alles davon).

 

02.01.2014 haikou, hainan, china.    letzter wirklicher china-tag, morgen abend gehts richtung hongkong. und wir muessen uns eingestehen: wir vermissen dieses china, das uns oft den letzten nerv gekostet und an den rand der verzweiflung gebracht hatte, jetzt schon!!! (an den unglaublichen muell und siff in der landschaft, auf den strassen und unter den tischen haben wir uns, genau wie an den wahnwitzigen verkehr, fast schon gewoehnt...).

vor allem nach einigen tagen in so einer angenehmen stadt wie haikou. die altstadt ist groesser als wir geahnt hatten, viele noch einigermassen erhaltene gebaeude, ja ganze strassenzuege, im kolonialstil, einige davon werden gerade aufwendig (und stilvoll, wie konnte das passieren?) renoviert. engste gassen, wenn wir die arme ausbreiten, stossen wir auf beiden seiten an, die balkone wachsen fast zusammen, schummriges halblicht den ganzen tag. so viele mobile essensbuden und strassenrestaurants haben wir noch nirgends gesehen, bei tag und mehr noch bei nacht. 

"unser" park ist ein traum: wie fast alle parks wird staendig gekehrt, gerecht, geschnippelt und gejaetet. wundervolle bepflanzung, vielfaeltiger und alter baumbestand, dazwischen statuen, viele baenke, pavillons.

und ueberall im park wird gelebt: getanzt, gesungen, mit den unterschiedlichsten instrumenten musiziert, mit und ohne verstaerker. heute tanzt eine senioren-gruppe auf einer betonflaeche mit eingelegten flusskieseln, fussreflexzonenmassage quasi. ueberall wird gymnastik und sport getrieben, die gelenkigkeits-geraete, die wir seit dem balkan ueberall finden, sind immer voll belegt. tischtennis und federball sowieso.

am ausgang des parks "ecke blumenstrasse" wird zwischen lottospielern und wortgewaltigen messerverkaeufern geschroepft (mit erhitzten bambusroehren) und genadelt, mitten im dichtesten gedraengel.

wir koennten uns von teehaus zu teehaus hangeln, zumal sich hier tolle suessies finden (ansonsten ist in der chinesischen kueche suesses duenn gesaet, zu meinem leidwesen. wir beginnen den tag zur zeit oft mit nudelsuppe oder kalten reis-fladen-nudeln, aeusserst lecker, aber danach muss immer noch ein baozi mit roter-bohnen-paste-fuellung gesucht werden...). traditionell werden zum tee oder kaffee auch pfannkuchen verspeist, wie alles andere (selbst eier) mit staebchen. ein nachbar unseres lieblings-teehauses setzt sich zu uns. nach einer weile will er unbedingt portraitiert werden, er stellt sich konzentriert in position. und fragt dann ein ums andere mal, ob er denn nicht ganz genau wie mao aussehe?

zum abschied von haikou treffen wir einen (obdachlosen) origami-strassenkuenstler, der aus blaettern phantastische tiere flicht und uns - nach einer zehnminuetigen rede - zu unserem gekauften grashuepfer noch einen schmetterling dazuschenkt. er will auf keinen fall mehr geld, gestenreich erklaert er, dass er an diesem tag schon genuegend tiere geflochten und verkauft habe.

 

 

 

04.01.2013 hongkong, china.   so, da waeren wir. nach 283 tagen und 12612 kilometern radlerei sind wir am endpunkt unsrer reise angekommen (naja, mit dem zug. wir habens nicht bereut. selbst mit dem zug gings heute stundenlang nur durch stadt...). und stehen vor ganz neuen herausforderungen: erstens gibts hier linksverkehr. und obwohl wir uns im strassenverkehr inzwischen echt benehmen wie sau (sonst waeren wir wahrscheinlich noch im iran), das ist echt verwirrend.

und zweitens ist hier fast alles hochformatig, selbst die strassenbahnen sind ganz schmal und zweistoeckig. deshalb muss ich hier ganz viel hochformatfotos machen, was mit gar nicht liegt.

immerhin: beim ersten schlendern durch unser viertel ist uns die stadt und ihre leute schon mal sehr sympathisch. unsere bisher teuerste unterkunft (eine der billigsten hongkongs) ist auch unsere kleinste (wenn wir das zelt nicht beruecksichtigen). vier quadratmeter, kein fenster. dafuer residieren wir auf vier stockwerken: unsere bude ist im fuenften, im neunten gibts eine kleine kueche und computer, im fuenfzehnten ist die rezeption, im zweiundzwanzigsten die dachterasse (heimlich uebers feuertreppenhaus). die fassade wird wohl gerade renoviert und ist komplett eingeruestet, zweiundzwanzig stockwerke hoch aus bambusstangen. mit schnueren aneinandergebunden. mir wird schon beim runterschauen schwindelig.



 

10.01.2014 hongkong, china.    letzter hongkongtag, morgen gehts aufs schiff! den fuer europa erwarteten (und befuerchteten) kulturschock haben wir uns schon hier abgeholt: die stadt scheint uns viel mehr "westlich" als "chinesisch" zu sein... alles ist so unglaublich gut strukturiert, organisiert, extremst sauber. die leute heben ihre zigarettenstummel auf, wenn sie aud versehen neben den muelleimer fallen... der verkehr ist absurd: die autos fahren auf ihrer spur, halten bei rot, hupen nicht. keine elektroroller, handkarren, knatternde dreiraeder mehr auf den strassen. die fussganger bleiben auf den gehwegen, auch wenn diese ueberfuellt sind, warten an den fussgaengerampeln, bis es gruen wird. ja, selbst bei den gehwegen gibts oft ne rechts- und ne links-spur. es wird ueberall angestanden, an den bushaltestellen schlangen fuers einsteigen. kein durchdruecken, und wenn - was bei der unfassbaren menge an menschen nicht ausbleiben kann - gerempelt wird, entschuldigen sich die leute... ueberhaupt gehts fuer so eine grosse stadt ausnehmend freundlich zu, wenn wir den stadtplan ausfalten, fragt gleich wer: "can i help you?", es wird viel gegruesst, beim teetrinken kurz geplaudert, zugelaechelt.

am chinesischsten sind die maerkte, essensstaende und vollgestopften laeden, da hat sich nicht viel geaendert. fuer uns neu ist die hiesige fruehstueckskultur: es gibt viele suppen, cremes, pasten, meist suess-salzig, mit fruechten, undefinierbaren glibber-boebbele, nuessen, manchmal auch seetang, aeusserst wohlschmeckend und spannend, wir koennten immerzu fruehstuecken. und gluecklicherweise immer noch die tee-gewuerz-eier, die wir so gern essen.

einige hongkong-to-do's haben wir natuerlich abgeklappert: rauf auf den berg mit dem schraegaufzug, runterschauen (und spazierengehen, hongkong istsehr gruen), rauf auf die bank und runterschauen.

mit der historischen star ferry von hongkong island nach kowloon (dem dichtest besiedelten viertel der welt) mit all den leuchtreklamen.

zwischen den ganzen modernen hochhaeusern gibts auch viele alte, enge und verwinkelte viertel mit steilen, gepflasternten gassen. zwischen den ungezaehlten modernen und historischen kirchen auch einige huebsche kleine tempel, die durch ihre riesigen raeucher-spiralen eine wunderschoene atmosphaere haben.

toll sind auch die ganzen "toten-bedarfs-laeden", in denen totengeld, girlanden, raeucherstaebchen und sets mit luxusartikeln, kleidung, goldbarren aus papier verkauft werden, die den toten mit auf den weg gegeben werden (d.h. verbrannt). lustigerweise heisst da alles "hell", the bank of hell-creditkarten, hellphones, hell brand whiskey-flaschen, hellborough zigaretten... sehr amuesant!

die abende, wenn ueberall die lichter und leuchtreklamen angehn, trotz laser-shows von hochhausdaechern und hochhausgrossen led-werbungen (h&m loves hongkong und so). 

unser erster tag in hongkong war ein sonntag. beim schlendern durch die stadt entsteht der eindruck, hongkong sei eine philipinische stadt: plaetze, parks, gehwege, unter- und ueberfuehrungen sind dichtestens mit philipinischen (und indonesischen) frauen besetzt, belegt, beschlendert, bepicknickt, beplaudert und besungen: hongkong funktioniert nur, weil fast alle kindermaedchen, hausangestellten, pflegerinnen und reinigungskraefte philipinische frauen sind. und die haben wohl traditionell sonntags frei und treffen sich zum "socializing". ueberall gibts philipinisches essen, viele gruppen haben musikinstrumente, mikrophon und boxen dabei, grosse decken werden auf den gehwegen ausgerollt... sehr schade, dass wir am sonntag frueh aufs schiff muessen, wir wuerden uns gerne nochmal einen tag durch dieses fidele und bunte strassenleben treiben lassen.